Tönisvorst Gedenken statt Vergessen

Tönisvorst · Bundesweit wurde gestern der Opfer des Holocaust gedacht - auch auf dem jüdischen Friedhof am Gottardusweg in Vorst.

 Auf dem jüdischen Friedhof am Gottardusweg in Vorst nahmen gestern etwa 50 Bürger an einer Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung teil.

Auf dem jüdischen Friedhof am Gottardusweg in Vorst nahmen gestern etwa 50 Bürger an einer Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung teil.

Foto: Wolfgang Kaiser

Nur ein Grabstein ist noch übrig von den ursprünglich 13, die 1940 auf dem jüdischen Friedhof in Vorst standen. "Hier ruhen unsere lieben Eltern Benjamin und Adele Willner" steht auf ihm geschrieben. Vor diesem Grabstein legten Bürgermeister Thomas Goßen und seine Stellvertreter Uwe Leuchtenberg und Christiane Tille-Gander gestern, am Holocaust-Gedenktag, einen Kranz der Stadt nieder.

Etwa 50 Bürger haben sich auf dem abgelegen ehemaligen Friedhof versammelt, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. "Die lebendige Erinnerung und die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte unseres Landes gehören zum Gedenken und sollen davor bewahren, dass sich so etwas wie der Nationalsozialismus wiederholt", sagt Bürgermeister Goßen in seiner Ansprache. In Zeiten, in denen ein AfD-Politiker das Holocaust-Mahnmal in Berlin als Schandmal bezeichne und die breite Zivilgesellschaft das ohne Empörung hinnehme, aber sei die Demokratie wieder in Gefahr und aus Gedenken werde Vergessen.

"Prostest und Unzufriedenheit haben andere Möglichkeiten, sich zu äußern, als Leute mit braunen Parolen in den Landtag zu wählen", mahnt Goßen in Hinblick auf die Landtagswahlen im Mai. Der Bürgermeister ruft dazu auf, sich einzubringen und die Demokratie aktiv zu unterstützen. "Wir alle tragen eine kollektive Verantwortung für die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und dafür, dass Menschen bei uns mit Würde begegnet wird."

Bernd Paetzold, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Anrath-Vorst, erinnert in seinem Gebet an die der sechs Millionen Juden, die starben, "als Wahnsinn und Gewalt die Welt beherrschten und das Böse in Deutschland wütete." Er bittet darum, dass solche Zeiten niemals wiederkommen und die Menschen überall die Kraft finden, sich gegen Tyrannei, Unterdrückung und Barbarei zu erheben.

Die Geschichte des jüdischen Friedhofs zeigt, wie Juden in Vorst und anderswo behandelt wurden. Seit der Einweihung im Jahr 1861 sind die Grabstätten immer wieder Verwüstungen zum Opfer gefallen. Grabsteine wurden umgekippt, auf Gräbern wurde herumgetrampelt. Die letzte Bestattung fand im Februar 1939 statt. Es war die Beerdigung von Jakob Katz, der in der Pogromnacht schwer misshandelt worden war und Monate später an seinen Verletzungen starb.

Anfang der 1940er-Jahre wurden alle Grabsteine eingesammelt, abgeschliffen und für den Neubau der Leichenhalle des Gotthardus-Krankenhauses verwendet. 1944 wurden alliierte Soldaten, die bei Flugzeugabstürzen gestorben waren, auf dem Friedhof beigesetzt. Schon 1947 wurde sie allerdings wieder exhumiert und zum "Heldenfriedhof" Kleve gebracht.

Der Grabstein, der heute an die jüdische Familie Willner erinnert, ist erst später gesetzt worden. Der größte Teil der Familie konnte übrigens nach Argentinien fliehen, bevor die Nazis ihrer habhaft werden konnten.

(WS03)
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