Fraktionen im Rat antworten Vier Fragen zum Campus-Projekt

Tönisvorst · Wir haben die sechs Fraktionen im Tönisvorster Stadtrat gefragt, wie sie aktuell zu dem Großprojekt stehen. Hier sind ihre Antworten.

 Zum Campus-Projekt am Wasserturm in St. Tönis gibt es viele Diskussionen.

Zum Campus-Projekt am Wasserturm in St. Tönis gibt es viele Diskussionen.

Foto: Marc Schütz

Dass die Stadtverwaltung am Wasserturm einen Neubau erhält, ist beschlossen. Die Frage ist nun, was mit den beiden weiterführenden Schulen geschieht. Für welche Lösung würden Sie sich nach jetzigem Stand entscheiden?

Das sagt die CDU: Für die CDU sind alle Projektideen aufgrund fehlender Grundlagen gleichberechtigt. Es gibt bisher keine unvoreingenommene und qualifizierte Begutachtung, die Risiken identifiziert, Erfolgsaussichten abgeschätzt und die Durchführbarkeit überprüft. Unsere Zielsetzung ist die wirtschaftlichste und effizienteste Lösung zu ermitteln, die auch eine Kombination aus den verschiedenen Varianten sein kann. Aktuell bliebe nur eine gefühlsmäßige Entscheidung ohne Planungs- und Finanzierungssicherheit, dies wäre unverantwortlich.

Das sagt die SPD: Die SPD-Stadtratsfraktion wird sich nach Durchführung aller Workshops, der Einwohnerversammlung, der Vorlage der Ergebnisse der beauftragten Machbarkeitsbetrachung und dem abschließenden Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung entscheiden. Dies war von Beginn von uns so offen mitgeteilt – lediglich die Machbarkeitsstudie ist aufgrund der aktuellen Beschlusslage des Rates als Entscheidungsgrundlage hinzugekommen.

Das sagt Bündis 90/Die Grünen: Eindeutig für den Neubau. Die nötige Sanierung der Altbauten verschlingt immense Summen und führt dennoch zu keinem optimalen Ergebnis. Es ist den Schüler:innen nicht zuzumuten, über Jahre auf einer Baustelle lernen zu müssen. Nur im Neubau können große Einsparungen in den jährlichen Kosten erzielt werden. Nur so lassen sich ausreichende Räumlichkeiten, moderne Ausstattung und beste Voraussetzungen für ein gesundes, barrierefreies Lernumfeld schaffen. Eine Investition in neue Schulen ist eine Investition in die Zukunft!

Das sagt die UWT: Wir sehen zum jetzigen Zeitpunkt keine Grundlage für eine fundierte Entscheidung. Der Rat der Stadt hat beschlossen für 4 verschiedene Varianten Machbarkeitsstudien mit integrativen Wirtschaftlichkeitsberechnungen in Auftrag zu geben. Wir möchten die Ergebnisse dieser Studien abwarten. Danach sollten die noch fehlenden Workshops stattfinden und danach werden wir eine Entscheidung treffen.

Das sagt die GUT: Beide vorhandenen Schulgebäude sind massiv sanierungsbedürftig und zu klein. Die Sanierungsfähigkeit auf den aktuellen Stand der Technik, unter den Gesichtspunkten von Energieeffizienz und Klimaschutz ist leider sehr fraglich. Fragen nach Schadstoffbelastung und Grundwasserproblematik wären zu überprüfen. Jede Baumaßnahme muss logistisch durchdacht sein, damit keine Schule auf der Strecke bleibt. Ein Neubau ist nach jetzigem Stand die sicherste Option, unabhängig vom Standort.

Das sagt die FDP: Nach den Betrachtungen der FDP kann auf der aktuellen Datenlage keine angemessene Entscheidung getroffen werden. Es fehlen noch zahlreiche Informationen, die u. a. aus einem angeforderten Wirtschaftlichkeitsgutachten folgen könnten. Auf Basis der aktuellen, lückenhaften Daten erscheint uns eine Kombination aus den bislang vorgelegten Konzepten am sinnvollsten, die außerdem schnell getroffen werden muss, um Containerlösungen zu vermeiden.

Welche Vorteile bietet die von der Verwaltung vorgeschlagene Variante „Campus“, auf dem Feld am Wasserturm neben dem Verwaltungsneubau auch ein Schulzentrum für MEG und RNG samt Sporthalle und Forum zu errichten?

Das sagt die CDU: Es gibt bisher keine unvoreingenommene und qualifizierte Begutachtung, die Vorteile benennt. Klimafreundliches, ressourcen-schonendes und bezahlbares Wohnen kann auch in anderen Neubaugebieten realisiert werden. Vorteile möglicher Neubauten, KfW-40-Standard stehen hohe Entsorgungskosten und CO2-Freisetzung bei Abriss entgegen, sowie absehbare Veränderungen in der Energiepolitik. Daher fordern wir eine unvoreingenommene und qualifizierte Begutachtung.

Das sagt die SPD: Die Campus-Idee ist weit mehr: Es würden zwei Schulgebäude, die in einem derart schlechten baulichen Zustand sind, dass absehbar zweistellige Millionenbeträge notwendig werden, um sie einigermaßen nutzbar zu machen, durch Neubauten ersetzt, die vom Raumzuschnitt, der energiesparenden Bautechnik und künftig niedrigen Energiekosten große Vorteile bieten würden – und an vier Standorten schafft man damit Platz für innerstädtische, möglichst klimagerechte Bebauung – das Zusammenspiel dieser Faktoren stellt die Vorteile des Campus dar.

Das sagt Bündis 90/Die Grünen: Natürlich ergeben sich allein durch die Zusammenfassung der Baustellen Synergien: Geräteeinsatz, Energiemanagement, Grauwassernutzung, Klimakonzept sind da Stichworte. Moderner Veranstaltungsraum und Mensa können vielfach genutzt werden. Das Gesamtkonzept besticht gerade durch seine vielfältigen Impulse für eine zukunftsträchtige Stadtentwicklung. Klimaquartiere an den Altstandorten, Priorisierung des Radverkehrs, Weiterentwicklung des Grünzugs sind weitere Beispiele. Das entwickelt Strahlkraft für die Region.

Das sagt die UWT: Man muss die Planung insgesamt betrachten: modernes Verwaltungsgebäude, modernes Schulzentrum, Forum, Mensa, Dreifachturnhalle. Der Bau würde ohne Beeinträchtigung der laufenden Schulbetriebe erfolgen. Die klimagerechte Bauweise würde die Stadt beim künftigen Problem der Dekarbonisierung aller öffentlichen Gebäude weiterbringen. An den Altstandorten der Schulen soll sozialgebundener und bezahlbarer Wohnraum entstehen. Die rund 300 Wohnungen wären ein großer Schritt nach vorn bei Wohnungs- und Klimapolitik.

Das sagt die GUT: Beide Schulen haben die Chance, ihr individuelles Lernkonzept in neuen Gebäuden umzusetzen und dabei Synergieeffekte (auch mit der Verwaltung) zu nutzen. Alle Anforderungen der Zeit (Digitalisierung, Energie, Barrierefreiheit, Pädagogik) können mit Raumkonzepten, die heutiger Arbeitsraumplanung entsprechen, umgesetzt werden. Für die gesamte Stadt wird durch massive Energieeinsparungen im Betrieb und u.a. durch die Möglichkeit zweier Klimaschutzsiedlungen und Flächenentsiegelung der Weg zur Klimaneutralität beschleunigt.

Das sagt die FDP: In Neubauten am Wasserturm kann ein maximal umwelt- und klimagerechter Baustandard gewählt werden, der Folgekosten zum Beispiel für Energie minimiert. Auch können Neubauten ideal – allerdings auch nur einmalig zum Zeitpunkt ihrer Erstellung – an moderne pädagogische Bedürfnisse beider Schulen angepasst werden.

Welche Nachteile oder Probleme hat der „Campus“-Vorschlag aus Ihrer Sicht, und wie können diese gelöst werden?

Das sagt die CDU: Es gibt bisher keine unvoreingenommene und qualifizierte Begutachtung, die Nachteile benennt. Die Verkehrssituation, die Bebauung des regionalen Grünzugs, die zukünftig stärkeren Förderungen von Sanierungsmaßnahmen, das Ende der Niedrigzinsphase, die explodierenden Baukosten, die absehbaren Veränderungen in der Energiepolitik, die aktuelle weltpolitische Situation, bedeuten subjektiv betrachtet aktuell Nachteile. Diese fordern wir jedoch unvoreingenommen und qualifiziert zu begutachten.

Das sagt die SPD: Die Unterbringung von Stellplätzen muss sorgfältig abgewogen und kreativ gelöst werden; wenn Stellplätze auf der anderen Seite der Düsseldorfer Straße angelegt würden, gehört dazu sicherlich eine sichere Überquerung der Straße – eventuell durch eine Fußgängerbrücke. Und bei der Planung der Gebäude kann auch über zumindest teilweises Parken von Fahrzeugen im Souterrain der Gebäude nachgedacht werden, die Niederländer sind bei der Schaffung von kreativen Lösungen Vorreiter bei öffentlichen Bauvorhaben.

Das sagt Bündis 90/Die Grünen: Die Verkehrsanbindung muss so geplant werden, dass ein sicherer Schulweg gewährleistet ist und Fußgänger:innen und Radfahrer:innen sich sicher fühlen. Hier bietet sich andererseits die Chance zu einer Entflechtung der Verkehrsströme. Im Corneliusfeld kreuzen sich Fußgänger, Radfahrer und Autos – das birgt Gefahren. Gebäudebegrünung und Entsiegelung müssen großzügig geplant werden. Am Ende muss das Mikroklima in unserer Stadt verbessert sein. Das alles wird aber bereits im Konzept berücksichtigt.

Das sagt die UWT: Für das mögliche Parkplatzproblem müssen noch Lösungen gefunden werden. Hier zeichnen sich jedoch bereits alternative Möglichkeiten zu der Idee der Real-Parkplätze ab. Die geäußerten Bedenken bezüglich der Verkehrssituation und Sicherheit der Kinder auf den Schulwegen werden wir berücksichtigen. Wir sehen kein Problem darin, die aufgezeigten Probleme zu lösen. Unklar sind zur Zeit Höhe und Voraussetzungen für Fördergelder. Hier muss abgewartet werden, bis die neuen Richtlinien und KfW-Bedingungen festgelegt werden.

Das sagt die GUT: Der Verkehrsfluss muss eindeutig auf dem Gelände gelenkt, eine Verringerung des Individualverkehrs eingeplant werden. Die Anzahl der Parkplätze ist mit Blick in die Zukunft vorsichtig zu betrachten, aber in jedem Fall müssen sie erreichbar sein. Wer kann, sollte innerorts mit dem Rad anreisen, dafür brauchen wir sichere Abstellflächen und Lademöglichkeiten. Die Sporthallenkapazität muss gegebenenfalls durch Erhaltung und Sanierung der Halle Corneliusfeld erhöht werden. Dann steht mehr Platz zur Verfügung als heute.

Das sagt die FDP: Die Campus-Fläche am Wasserturm ist zu klein, um beiden Schulen auch zukünftiges Wachstum zu ermöglichen. Es kann nur eine Dreifachsporthalle (mit im Jahresverlauf nicht dauerhaft nutzbarer Dachfläche) errichtet werden, was die Sportvereine einschränkt. Die Verkehrssituation an zwei Hauptstraßen, ohne ausreichenden, nah gelegenen Parkraum und ohne ein realistisches Verkehrskonzept, ist nachteilig und bildet ein Gefahrenpotenzial. Diese Nachteile lassen sich gar nicht oder nur zu erheblichen zusätzlichen Kosten auflösen.

Inwiefern können bzw. werden die Ergebnisse der Workshops in die Planungen einfließen?

Das sagt die CDU: Die Beantwortung der Frage liegt außerhalb unseres Einflussbereichs. Wir haben von Anfang an die Befürchtung geäußert, dass die Workshops die Zielsetzung verfolgen, mögliche Gegenargumente zu entkräften und den Campus als Lösung zu präsentieren. Die Stimmen, die uns aus den Workshops erreichen, sowie die Berichterstattung darüber in der Presse bestätigen unsere Sicht. Zu Beginn der Workshops wird die Zielsetzung definiert, anderslautende Ideen dürfen nicht eingebracht werden, Kritik unerwünscht - repräsentativ geht anders.

Das sagt die SPD: Deshalb wurden die Workshops ja gerade angeboten, um im Dialog mit den Bürgern zu hören, was alles in den endgültigen Plan gehört. Die Verwaltung hat den Job, diese Anregungen zu bewerten und wenn sinnvoll ins „Campus-Konzept“ einzuarbeiten. So ist zum Beispiel die Frage nach den Sporthallenkapazitäten gestellt worden. Die Abklärung des tatsächlich genutzten Bedarfs für Schulen und Vereine muss erfolgen – und der muss insgesamt natürlich berücksichtigt werden.

Das sagt Bündis 90/Die Grünen: Eine breite Bürgerbeteiligung durch die Workshops mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen war uns von Anfang an ganz wichtig. Bei einem Vorhaben dieser Dimension sollen möglichst alle Bürger:innen mitgenommen werden. Natürlich fließen die Ergebnisse in die weitere Planung ein. Deshalb ist ja auch erst danach eine genauere Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sinnvoll. Schließlich ergeben sich im Beteiligungsprozess Veränderungen. Resultate müssen transparent dargestellt werden für die Bürgerversammlung.

Das sagt die UWT: Die Workshops haben bisher sehr wertvolle Ideen der Bürgerinnen und Bürger hervorgebracht. Wir werden alle konstruktiven Beiträge und Anregungen in unsere Planungen einbeziehen. Nicht alles kann berücksichtigt werden, aber die vielen Ideen waren hilfreich. Wir bedanken uns ausdrücklich bei allen, die sich für die Teilnahme an den Workshops Zeit genommen haben und offen waren, sich auf diese Form der Bürgerbeteiligung unvoreingenommen einzulassen.

Das sagt die GUT: Die Workshops beinhalten bisher schon sehr viele Ideen, Forderungen und Wünsche, die sowohl Verwaltung als auch wir bereits zum Ausdruck gebracht oder angedacht haben. Fast 90 % der Teilnehmenden haben übereinstimmend Themen hinsichtlich Klimaschutz, Raumnutzung, Mobilität und Ausstattung eingebracht. Unsere Anerkennung gilt vielen großartigen Stichworten und Visionen. Die Teilnehmenden haben hier viel investiert. Dies am Ende noch einmal übereinanderzulegen und in Einklang mit der Planung zu bringen, ist das Ziel.

Das sagt die FDP: Alle zusammengetragenen Informationen werden in unsere Entscheidungsfindung eingehen. Allerdings erfolgen die Workshops mit der falschen Vorgabe, in ihnen nicht über Alternativen zum starren Campus-Projekt sprechen zu dürfen, und zum falschen Zeitpunkt. Wenn erst jetzt eine gutachterliche Abwägung verschiedener Alternativen erfolgt, hätten die Workshops unter anderen inhaltlichen Vorgaben oder zeitlich nach der Erstellung eines externen Gutachtens erfolgen müssen. So sind nun einige Ergebnisse vermutlich leider unbrauchbar.

(biro/msc)
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