Tönisvorst Eine grausame Liste mit 54 Namen

Tönisvorst · Angela Krumpen aus Vorst las jetzt gemeinsam mit Erzbischof Simon Ntamwana aus Burundi bei Action Medeor aus ihrem neuen Buch "Nur Versöhnung kann uns retten".

 Zwischen Erzbischof Simon Ntamwana und Angela Krumpen herrscht eine freundschaftliche Vertrautheit. 2015 reiste die Autorin nach Afrika, um sich erstmals mit ihm und Mitgliedern seines Versöhnungswerks zu treffen.

Zwischen Erzbischof Simon Ntamwana und Angela Krumpen herrscht eine freundschaftliche Vertrautheit. 2015 reiste die Autorin nach Afrika, um sich erstmals mit ihm und Mitgliedern seines Versöhnungswerks zu treffen.

Foto: Wolfgang Kaiser

Die Vorster Autorin Angela Krumpen liest mit sanfter Stimme aus ihrem neu erschienenen Buch "Nur Versöhnung kann uns retten". Doch es sind Bilder grausamster Gewalt, die sie heraufbeschwört. Erzbischof Simon Ntamwana (71) schließt die Augen bei der Schilderung, wie ein Baby aus den Armen seiner Mutter gerissen und vor deren Augen getötet wird. Keine leichte Kost erwartete die rund 60 Zuhörer, die zum Auftakt der gemeinsamen Lesereise von Angela Krumpen und dem Erzbischof von Burundi in das Haus des Medikamentenhilfswerks Action Medeor gekommen waren.

Hier in Vorst laufen viele Fäden zusammen. Hier wohnt die Autorin und Radiomoderatorin Angela Krumpen. Und hier stellte der mittlerweile pensionierte Pfarrer Ludwig Kamm die Verbindung nach Burundi zum dortigen Erzbischof her, den er seit vielen Jahren kennt. Um ihn und seine Biografie dreht sich das kürzlich im Adeo-Verlag erschienene Buch. In einer gut vorbereiteten und abwechslungsreichen Mischung aus Erzählen und Lesen moderierte Angela Krumpen die gut einstündige Veranstaltung.

Ausgangspunkt des Interesses der Autorin und hoffnungsvoller Angelpunkt ist das vom Erzbischof in seinem Heimatland Burundi gegründete Friedenswerk, das versucht, die Menschen des vom Bürgerkrieg zerrütteten Staates in Ostafrika miteinander zu versöhnen. Denn wie im Nachbarland Ruanda tobte auch in Burundi ein grausamer Völkermord zwischen den Ethnien der Tutsi und der Hutu. Ein Konflikt, dem auch die Familie des Erzbischofs in den 1970er-Jahren zum Opfer fiel. Er selbst überlebte nur, weil er zu dieser Zeit als Priesteramtskandidat in Rom studierte.

Sehr ruhig und gefasst liest er - übrigens in perfektem Deutsch - das entsprechende Kapitel des Buches, schildert, wie er den Brief öffnet, der in dürren Worten aufzählt, welche Mitglieder seiner Familie tot sind. Sein Vater, sein Bruder, Onkel und Tanten, insgesamt 54 Namen enthielt die grausame Liste. Er erzählt, wie ein Aufenthalt bei Freunden in Mönchengladbach seinen Schmerz lindert, wie wohltuend es für ihn war, dass zu seiner Priesterweihe im Jahr 1974 in Rom rund 200 Menschen kamen: "Die Menschheit hat Deine Familie vertreten", sagt Angela Krumpen an den Erzbischof gewandt.

Irgendwann hielt es den jungen Priester nicht mehr in Europa. Er kehrte nach Burundi zurück, gegen den Rat vieler Vertrauter. "Ich habe Burundi in Fetzen vorgefunden, fassungslos lief ich durch die Leere", so zitiert er seine Worte. Er schildert, wie er selbst den Weg der Versöhnung suchte: "Ich lernte Schritt für Schritt diese Wunde in mir zu heilen."

Zwischen Angela Krumpen und Erzbischof Simon herrscht augenscheinlich eine freundschaftliche Vertrautheit. 2015 reiste die Autorin nach Afrika, um sich im Nachbarland Ruanda erstmals mit ihm und Mitgliedern seines Versöhnungswerks zu treffen. Denn nicht nur die Biografie des Erzbischofs sollte Thema ihres Buches sein, sondern auch die vielen Geschichten der Menschen in seinem Umfeld. Dazu gehören Ordensschwestern, -brüder und Laien. Opfer wie die Lehrerin Adéle aus dem Volk der Tutsi. Und Täter wie der Hutu Emmanuel. Angela Krumpen beschreibt das aufreibende Gespräch mit ihm: "Er hat vier Stunden am Stück erzählt."

Ein Treffen in Burundi selbst war 2015 nicht möglich, denn im Umfeld von Wahlen waren erneut große Unruhen ausgebrochen. Eine Entwicklung, die bis heute andauert, und bereits viele Menschen das Leben kostete oder zur Flucht zwang. Erzbischof Simon lässt trotz aller Rückschläge nicht ab in seinem Bemühen um Versöhnung. Dass seiner Meinung nach übrigens vom Opfer ausgehen solle: "Das Opfer ist in einer besseren Lage, es scheint mir stärker zu sein. Das Opfer trägt die Folgen der Tat, aber nicht die Verantwortung", so seine interessante These. Und Angela Krumpen spricht ihm ihre ausdrückliche Bewunderung für diese Haltung aus: Weiter hoffen - egal, wie es ausgeht.

Termine mit Erzbischof Simon Ntamwana: Sonntag, 22. April, 9.30 Uhr, Gottesdienst in St. Hubertus, Kempen-St. Hubert; Mittwoch, 25. April, 19.30 Uhr, Lesung im Kulturzentrum Franziskanerkloster, Kempen; Samstag, 28. April, 18 Uhr, Gottesdienst in St. Cornelius, Tönisvorst; Sonntag, 29. April, 11.30 Uhr Gottesdienst in Christ-König, Kempen, anschließend Lesung im Pfarrheim.

(evs)
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