Tönisvorst Das vergessene Bergvolk vom Sudan

Tönisvorst · Der amerikanische Arzt Dr. Tom Catena, den das Time Magazine zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt gezählt hat, war gestern zu Gast bei Action Medeor in Vorst. Dort berichtete er von seiner Arbeit im Sudan.

 Seinen Besuch bei Action Medeor nutzte Dr. Tom Catena (Mitte), um um weitere Hilfssendungen zu bitten. Seinen Schilderungen hörten (von links) Jürgen Prieske, Stefan Marx, Bernd Pastors und Sharon de Souza zu.

Seinen Besuch bei Action Medeor nutzte Dr. Tom Catena (Mitte), um um weitere Hilfssendungen zu bitten. Seinen Schilderungen hörten (von links) Jürgen Prieske, Stefan Marx, Bernd Pastors und Sharon de Souza zu.

Foto: Wolfgang Kaiser

Als die Bomben vom Himmel fallen, verlassen die meisten Ärzte das Mother-of-Mercy-Hospital im sudanesischen Gidel nahe der Nuba-Berge. Dr. Tom Catena aber bleibt und versorgt als einziger Arzt die Patienten, die mit schlimmen Kriegsverletzungen ins Krankenhaus kommen. Auch als das Hospital im Mai 2014 selbst Ziel eines Bombenangriffs wird, bleibt der 51-Jährige und arbeitet weiter in dem einzigen Krankenhaus im Umkreis von 150 Kilometern, das eine Bevölkerung von rund 750.000 Menschen versorgt, die in den Nuba-Bergen leben, der Grenzregion zwischen dem Sudan und dem seit 2011 unabhängigen Süd-Sudan.

"Krankenhäuser, Schulen und Versorgungseinrichtungen werden gezielt bombardiert", berichtet der Arzt bei seinem Besuch bei Action Medeor in Vorst. Das Medikamentenhilfswerk unterstützt das Mother-of-Mercy-Hospital, ein 425 Betten großes Krankenhaus, zu dem noch eine ambulante Versorgung, ein Labor und eine Apotheke gehören, seit 2010. Hilfslieferungen im Wert von 67.000 Euro sind seitdem versendet worden. Mit den Bombenangriffen versucht Diktator Umar al-Baschir, die Bevölkerung zu demoralisieren und aus dem angestammten Gebiet der Berge zu vertreiben.

"Die Bewohner der Berge gehören seit der Unabhängigkeit des Süd-Sudans 2011 zum Sudan, fühlen sich aber ethnisch und kulturell dem Süd-Sudan näher", erklärt Stefan Marx von Action Medeor, der selbst einige Jahre in unterschiedlichen afrikanischen Ländern tätig war. Die Regierung fürchte Aufstände und die Bildung neuer Rebellengruppe in den Bergen, die das Land weiter spalten könnten.

Seinen Besuch bei Action Medeor nutzt Tom Catena, um um weitere Hilfssendungen zu bitten. "Im Krankenhaus fehlt es uns an allem", sagt der Arzt. Verbände, Mullwickel, Antibiotika, Schmerzmittel, Impfstoff seien knapp beziehungsweise nicht vorhanden. "Was immer ihr uns schickt, wir können es gebrauchen", sagt der 51-Jährige. Bernd Pastors, Geschäftsführer von Action Medeor, sichert eine weitere große Lieferung mit Medikamenten und medizinischem Material für Anfang 2016 zu.

Einfach wird das nicht, denn die Hilfsorganisationen haben durch Beschränkungen der sudanesischen Regierung keinen Zugang zu den Nuba-Bergen. Die Container mit den Hilfsmitteln werden deshalb nach Kenia geflogen und müssen von dort auf dem Landweg in den Sudan gebracht werden. Eine ähnlich große logistische Herausforderung ist auch die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, die der amerikanische Arzt gemeinsam mit einigen Mitstreitern ebenfalls organisiert.

Für sein Engagement für die von der Welt fast vergessenen Menschen in den Nuba-Bergen wird Dr. Tom Catena heute in Bochum mit dem mit 10.000 Euro dotierten Hans Reinhardt-Preis ausgezeichnet. Außerdem hat das Time Magazin den Mann, der in New York aufwuchs und seit 15 Jahren in Afrika arbeitet, in diesem Jahr in die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt aufgenommen.

(WS03)
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