Lese-Tipp „Glück ist kein Ort. Geschichten von unterwegs“

Service | Tönisvorst · Carmen Alonso ist die Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei an der Hochstraße in St. Tönis. In loser Folge gibt sie unseren Lesern Literaturtipps. Diesmal: „Glück ist kein Ort. Geschichten von unterwegs“ von Juan Moreno.

 Carmen Alonso leitet die Stadtbibliothek Tönisvorst. 
  Foto: Marc Schütz

Carmen Alonso leitet die Stadtbibliothek Tönisvorst. Foto: Marc Schütz

Foto: Marc Schütz

Juan Moreno, Jahrgang 1972, ist ein erfolgreicher Autor und Kolumnist. In Andalusien geboren, wuchs er in Deutschland auf und gilt mittlerweile als einer der renommiertesten Journalisten. Er arbeitete zunächst für den WDR, bis 2007 für die „Süddeutsche Zeitung“, seit 2012 für den „Spiegel“ in Hamburg. Und gerade dieser Job brachte ihn 2018 in die Schlagzeilen: Moreno deckte gegen großen Widerstand im eigenen Verlag die Fälschungen seines Spiegel-Kollegen Claas Relotius auf, einer der größten Medienskandale der Nachkriegsgeschichte. Juan Moreno wurde 2019 zum Journalisten des Jahres gewählt.

Sein aktuelles Buch mit „Geschichten von unterwegs“ nun ist eine sehr anregende Lektüre, jeder der einzelnen Reiseberichte überraschend und stets dramatisch. Denn für seine Reportagen scheut Moreno weder Strapaze noch Gefahr: So fährt er beschwerliche 4000 Kilometer quer durch Europa in einem Kleinbus voller Arbeitsmigranten, spricht mit Farc-Guerilleros über Auftragsmord, schläft bei kolumbianischen Rebellen im Dschungel auf Kokainplatten. Mit seinen Reportagen rückt er Menschen in den Mittelpunkt, über die wir sonst nie etwas erfahren, die wir noch nicht einmal wahrnehmen würden.

Doch spannende Begegnungen warten nicht nur in Las Vegas mit Mike Tyson oder bei Gurus in Indien, auch zu Hause lässt sich einiges entdecken, mit frommen Pilgern auf dem Jakobsweg zum Beispiel. Und dass Glück – im Gegensatz zu dem Buchtitel – manchmal doch ein Ort sein kann, darüber erfahren wir in der sehr unterhaltsamen Story über ein Wochenendhaus am See, das er für sich und seine Ehefrau und die vier Töchter zu bauen versucht …

Alle Reise-Geschichten schreibt Moreno in dem ihm eigenen Stil, für den er seit Jahren von seiner Leserschaft geschätzt wird: Witzig und dabei mit Tiefgang, stilistisch elegant und dabei scharf beobachtend. „Ich möchte wissen, wie ein anderes Leben ist!“ und „Hinfahren, fragen, zuhören, lernen, darum reise ich“ lauten seine Devisen. Eine großartige Lektüre, packend und unerwartet.

Juan Moreno: „Glück ist kein Ort. Geschichten von unterwegs“, Rowohlt-Verlag, 300 Seiten, 22 Euro.

(RP)
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