Ein Jahr nach der Flut Action Medeor hilft im Ahrtal auch noch ein Jahr nach der Flut

Tönisvorst · Hilfen im Wert von mehr als 1,5 Millionen Euro haben die Tönisvorster inzwischen im Ahrtal eingesetzt. Action Medeor hilft zum ersten Mal in Deutschland. Was die Helfer im Ahrtal leisten.

 Wenige Wochen nach der Flut nahm das Team der Burg-Apotheke um Apothekerin Inge Göttling (3. v. l.) die Arbeit im neuen Container auf.

Wenige Wochen nach der Flut nahm das Team der Burg-Apotheke um Apothekerin Inge Göttling (3. v. l.) die Arbeit im neuen Container auf.

Foto: Action Medeor

„Es war eine sehr anstrengende Zeit, aber die Unterbringung in der Containeranlage war und ist auch ein Glücksfall“, sagt Apothekerin Inge Göttling aus Kalenborn, einer Höhengemeinde im Ahrtal.

Den Container, in dem auch ihre Apotheke untergebracht ist, hat das Tönisvorster Hilfswerk Action Medeor zur Verfügung gestellt – nur eine von vielen Maßnahmen des Hilfswerks nach dem Hochwasser, das die Menschen am 14. Juli 2021 traf. Für Action Medeor ist der Jahrestag der Tragödie im Westen Deutschlands Anlass, eine erste Bilanz zu ziehen. Kleine Flüsse wie Ahr, Erft oder Rur wurden zu reißenden Strömen, die mehr als 180 Menschen das Leben kosteten und immense Schäden anrichteten.

Angesichts der Zerstörung traf man bei Action Medeor im Juli 2021 schnell die Entscheidung, zum ersten Mal in der Geschichte des Hilfswerks, das üblicherweise in Schwellen- und Entwicklungsländern tätig ist, in Deutschland zu helfen. Wenige Tage nach der Katastrophe waren Helferinnen von Action Medeor in den Hochwassergebieten, um erste Hilfsgüter zu verteilen. Kurz danach ging eine erste große Hilfslieferung mit mehr als 40 Paletten im Wert von mehr als 100.000 Euro ins Ahrtal, um ein medizinisches Übergangslager mit Wasserentkeimungstabletten, Ausrüstung und medizinischem Material zu versorgen. In den Dörfern Dernau und Rech wurden solarbetriebene Straßenbeleuchtungen installiert.

Parallel zu den ersten Nothilfemaßnahmen hat sich Action Medeor schnell am Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur beteiligt. Die Flut hatte Arztpraxen, Apotheken und Senioreneinrichtungen zerstört, schnelle Übergangslösungen mussten gefunden werden. So auch für Apothekerin Inge Göttling, die in Kalenborn die Burg-Apotheke betreibt, und die Arztpraxis von Dr. Stefanie Nacke. Die Standorte der beiden lagen unmittelbar an der Ahr und wurden durch das Hochwasser zerstört. Durch die Unterbringung im Container konnte die hausärztliche und pharmazeutische Versorgung für viele Tausend Menschen nach der Flut schnell gesichert werden. Action Medeor baute zusammen mit Apotheker ohne Grenzen eine Containeranlage auf, wodurch die hausärztliche und die pharmazeutische Versorgung für viele Tausend Menschen im Ahrtal nach der Flut schnell gesichert werden konnte.

„Für die Menschen im Ahrtal war die zweite Hälfte des Jahres 2021 trotz aller Hilfe eine Mischung aus Schock, Trauer und trotzigem Wiederaufbau“, berichtet Sid Peruvemba, Vorstandssprecher von Action Medeor. „Das Ahrtal wurde zu einer riesigen Baustelle. Da war für Kinder und Senioren mit einem Mal kein Platz mehr. Sie hatten ihr Lebensumfeld praktisch komplett verloren, viele mussten umziehen, Dorfgemeinschaften und Freundeskreise lösten sich auf.“ Aus diesem Grund hat Action Medeor mehrere Hilfsangebote entwickelt, die sich gezielt an Kinder und ältere Menschen richten. So werden beispielsweise Seniorennachmittage unterstützt. Für viele Senioren sind die wöchentlichen Treffen ein wichtiger sozialer Treffpunkt geworden.

In Hönningen wurde mit Containern ein Übergangs-Stützpunkt für die Sozialstation Adenau-Altenahr errichtet. Durch den neuen Stützpunkt wurden Fahrtzeiten verkürzt, zudem finanzierte Action Medeor ein neues Fahrzeug. Uwe Szymanski, Leiter der Sozialstation, kann mit Zahlen belegen, was die Hilfe ausmacht: „Wir verkürzen durch den Stützpunkt in Hönningen die Wege, die unsere Pflegerinnen auf der Straße zurücklegen, sehr deutlich. Inzwischen haben wir dadurch rund 45.000 Kilometer und über 1000 Arbeitsstunden eingespart – Zeit, die wir statt im Auto bei den Patienten verbringen konnten.“

Schließlich wurde Action Medeor auch für die Kinder im Ahrtal aktiv, deren Welt braun vom Schlamm und Staub geworden war. Einen Lichtblick verschafft ihnen Claudia Olef. Die Tanzpädagogin hat mit Action Medeor ein Angebot für Kinder entwickelt, bei dem sie spielerisch ihre Fantasie einsetzen und so auch Erlebtes verarbeiten können. Das Ergebnis ist nicht nur Spaß, sondern auch eine physische und psychische Stabilisierung der Kinder.

Info Die Hilfsmaßnahmen, die Action Medeor im Rahmen der Not- und Übergangshilfe umgesetzt und eingeplant hat, summieren sich bislang auf rund 1,5 Millionen Euro. Weitere rund 1,5 Millionen Euro sollen in den kommenden Monaten in Projekte zum Wiederaufbau fließen. Bis 2023 wird der Wiederaufbau im Ahrtal vermutlich andauern.

(msc)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort