Abonnementtheater mit dem Stadtkulturbund Tönisvorst Welche Werte haben bei uns Gültigkeit?

Tönisvorst · „Willkommen bei den Hartmanns“ ist eine lustige Komödie zu einem ernsten Thema. Im Corneliusforum kam das Stück sehr gut an.

 Antje Lewald und Derek Nowak in „Willkommen bei den Hartmanns“ im ausverkauften Forum Corneliusfeld. Am Ende gab es „standuing Ovations“.

Antje Lewald und Derek Nowak in „Willkommen bei den Hartmanns“ im ausverkauften Forum Corneliusfeld. Am Ende gab es „standuing Ovations“.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

So sieht es also aus, wenn Welten aufeinanderstoßen. Auf der einen Seite die gutsituierte deutsche Familie aus einem scheinbar weltoffenen, liberalen Milieu, deren einzige Sorgen sich um Falten, Geldverdienen, die Frage, ob genug Wein im Haus ist und die Gartengestaltung drehen. Auf der anderen Seite ein junger Mann aus Nigeria, dessen Familie von der islamistischen Terrormiliz Boko Haram ausgelöscht wurde und der vor lauter Angst und Verzweiflung sein Leben ein paar Schleusern anvertraut hat, die ihn in ein Schlauchboot setzten.

Nun ist dieser junge Mann in einem Flüchtlingsheim in München und muss sein Leben wieder anderen Menschen anvertrauen: Dem Gericht, das über seinen Asylantrag entscheidet, dem Leiter der Flüchtlingsunterkunft, der ihn in eine Familie vermitteln will und schließlich dieser Familie, bei der der Haussegen mehr als schief hängt. Aber das Schicksal scheint es gut mit diesem Diallo Makabouri (großartig und ausdrucksstark gespielt von Derek Nowak) zu meinen.

Die pensionierte Schulleiterin Angelika Hartmann (dargestellt von der vielfach ausgezeichneten Schauspielerin Antje Lewald) und ihre immer noch studierende 31-jährige Tochter Sophie (vielversprechend: Caroline Klütsch) kümmern sich freundschaftlich um „ihren“ Flüchtling und wollen dazu beitragen, dass er in dem fremden Land und der fremden Kultur ankommt. „Willkommen bei den Hartmanns“ ist ein Spiel mit Klischees und Stereotypen, das dem Publikum den Spiegel vorhält und dabei sehr entlarvend ist.

In seiner Oberflächlichkeit besonders gut gezeichnet ist der Schönheitschirurg (Peter Clös): „Flüchtlinge? Interessiert mich nicht. Ich lass mir doch meine gute Laune nicht verderben“, sagt er einmal, und an andere Stelle: „Ihr seid doch vorsichtig mit eurem Flüchtling? Lass den bloß nicht zu nah an eure Tochter ran.“ Und auch Richard Hartmann (Steffen Gräbner) und Sohn Philipp (Marc-Andree Bartelt) sind skeptisch. „Es reicht, dass Frau Merkel die ganze Dritte Welt zu sich eingeladen hat. Wir machen das nicht“, sagt der Vater.

Und der Sohn gibt seiner Mutter gegenüber zu bedenken: „Du weißt doch gar nicht, wer die Leute sind. Die sind ja nicht mal registriert. Wir haben doch völlig die Kontrolle verloren.“ Angelika Hartmann lässt das nicht gelten: „Jetzt sind sie hier und sie brauchen unsere Hilfe.“ Mehr gibt es zu dieser Diskussion eigentlich nicht zu sagen. Und so zieht Diallo ein und führt den Hartmanns vor Augen, was in der scheinbar so viel besseren westlichen Welt im Allgemeinen und bei den Hartmanns im Besonderen schief läuft.

Und so geht es auf der Metaebene des Stücks um die Frage „wer wir sind und wer wir sein wollen“, wie Sophies Freund Tarek Bauer (Felix Hoefner) es auf den Punkt bringt, welche Werte in Deutschland Gültigkeit haben und wie ein in der Flüchtlingsfrage gespaltenes Land wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen kann. Antworten gibt das Stück nicht, aber die Hartmanns zumindest sind am Ende wieder vereint und stehen geschlossen hinter „ihrem“ Flüchtling.

Und auch das Publikum im ausverkauften Corneliusforum Tönisvorst steht am Ende: Für das großartige Ensemble gibt es „Standing Ovations“. Dem Stadtkulturbund ist mit der Auswahl der Komödie nach einem Film von Simon Verhoeven ein guter Einstieg in die neue Spielzeit gelungen, in der der Verein Stadtkulturbund sein 25-jähriges Bestehen feiert.

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