Kirche-Krise auch in Solingen Immer mehr Katholiken verlassen Kirche

Solingen · Den Kirchen laufen auch in Solingen die Mitglieder davon. Für den katholischen Stadtdechanten wäre es zu einfach, Fehler nur außen zu suchen. 

 Die katholische Kirche St. Clemens in der Solinger Innenstadt bei Nacht. Sie ist das größte Gotteshaus in der Klingenstadt. Aber auch in St. Clemens bleiben bei Gottesdiensten inzwischen viele Stühle unbesetzt.

Die katholische Kirche St. Clemens in der Solinger Innenstadt bei Nacht. Sie ist das größte Gotteshaus in der Klingenstadt. Aber auch in St. Clemens bleiben bei Gottesdiensten inzwischen viele Stühle unbesetzt.

Foto: Peter Meuter

Die katholische Kirche verliert auch in Solingen zunehmend an Rückhalt in der Gesellschaft. Das geht aus den jüngsten Zahlen des Erzbistums Köln hervor, die für das vergangene Jahr erneut einen starken Anstieg an Kirchenaustritten verzeichnen. So kehrten 2021 im Bereich des Stadtdekanats Solingen insgesamt 435 Menschen der katholischen Kirche den Rücken, während im gleichen Zeitraum nur vier Personen der Kirche beitraten.

Damit setzte sich im Jahr 2021 ein Trend fort, der den Versantwortlichen schon in den Jahren zuvor erhebliche Sorgen bereitet hatte. Beispielsweise waren vom Erzbistum Köln für das Jahr 2019 in der Summe 415 Austritte in Solingen registriert worden, denen acht Eintritte in die katholische Kirche gegenüberstanden. Und selbst im ersten Corona-Jahr 2020 hatte es 236 Austritte gegeben, während es auf der andereren Seite gerade mal zwei Eintritte gegeben hatte.

Tatsächlich ist vom Problem der Kirchenaustritte aber nicht allein die katholische Kirche betroffen. Auch bei den Protestanten sind die Mitgliederzahlen bereits über Jahre hinweg rückläufig. Hatte die Volkszählung 2011 zum Beispiel noch einen Anteil von 32,3 Prozent evangelischer Christen in der Klingenstadt ausgewiesen, reduzierte sich deren Anteil bis Ende 2021 auf nunmehr 25,3 Prozent, derweil der Anteil der Katholiken an der Solinger Gesamtbevölkerung im selben Zeitraum wiederum von 26 Prozent auf 24,2 Prozent sank.

Dabei kommt der gerade jüngste Anstieg für die katholische Kirche in Solingen alles andere als überraschend. „Wir haben damit gerechnet, dass die Zahl der Austritte zuletzt noch einmal deutlich zugenommen hat. sagte jetzt Stadtdechant Michael Mohr auf Anfrage. So sei zu vermuten, dass die zuletzt geführte Diskussion um den Umgang mit Missbrauchsfällen speziell im Erzbistum Köln die Zahl der Kirchenaustritte noch einmal nach oben getrieben habe. Mohr: „Da sind etwa in der Kommunikation nach außen erhebliche Fehler gemacht worden.“

Gleichzeitig mahnte der Leitende Pfarrer der Kirchengemeinden St. Clemens (Solingen-Mitte / Nord) und St. Johannes der Täufer (Solingen-Süd) an, die Ursache dafür, dass sich viele Menschen von der Kirche abwendeten, nicht nur an der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle festzumachen. Der Missbrauchskandal sei, so der Stadtdechant, zwar mit Sicherheit ein wichtiger Grund für die steigenden Austrittszahlen – gerade im Erzbistum Köln, wo es eine Vertrauenskrise gebe.

Doch bedürfe es auf anderen Themenfeldern ebenfalls einer kritischen Analyse sowie einer selbstkritischer Reflexion. So seien es auch die nur scheinbar kleinen Dinge, die die Gläubigen von der katholischen Kirche entfernten. „Die Kirche war in der Corona-Zeit nicht präsent genug bei den Menschen. Und bei den Gottesdienst-Besuchen haben wir in Solingen bis heute noch nicht wieder das Niveau aus der Zeit vor Corona erreicht“, sagte Michael Mohr, der ferner forderte, die Stimme der katholischen Kirche müsse auf jeden Fall klarer zu vernehmen sein. Es sei an der Kirche, sich zu Wort zu melden, wenn etwa – wie vor kurzem – in einer Kirche in Nigeria zahlreiche Menschen ermordet werden.

Daran, dass es auch in Solingen viele Menschen gibt, die nach wie vor positiv zum christlichen Glauben und zur katholischen Kirche stehen, hat Pfarrer Mohr keinen Zweifel. Dies habe etwa die zurückliegende Fronleichnamsprozession gezeigt, an der sich rund 500 Menschen beteiligt hätten. Ferner gebe es auch viele Diskussionskreise innerhalb der Kirche, die wohl nicht massiv frequentiert würden, aber dennoch eine lebendige Kirche ausmachten.

Vor allem aber signalisierten immer wieder einzelne Menschen, wie wichtig ihnen der Glaube weiterhin sei. „Es tut gut, wenn – wie es neulich der Fall gewesen ist – eine Familie, deren Kind zuvor getauft worden ist, ein Geschenk bastelt“, sagte Michael Mohr, der „von ganzem Herzen“ Pfarrer ist. Wichtig sei es, den eigenen christlichen Glauben froh weiterzugeben, so der Solinger Stadtdechant im Gespräch mit unserer Redaktion.

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