Solingen Wohnzimmer mit 6.000.000 Kubikmetern

Solingen · Der Hückeswagener Helmut Solibida joggt seit knapp 30 Jahren regelmäßig um die idyllisch gelegene Talsperre im Neyetal.

 Helmut Solibida (59) kann beim Joggen rund um die Neye-Talsperre besonders gut abschalten.

Helmut Solibida (59) kann beim Joggen rund um die Neye-Talsperre besonders gut abschalten.

Foto: W. Weitzdörfer

Helmut Solibida kommt gerade von der Arbeit. Der 59-Jährige arbeitet als Finanzbuchhalter in Radevormwald, kommt aber eigentlich aus Hückeswagen und hat seine Laufkleidung immer im Auto dabei. "Die Neye-Talsperre liegt für mich ja praktisch vor der Haustüre und ist sehr einfach zu erreichen", sagt er und scherzt: "Sie ist für mich ein bisschen das, was für Boris Becker der Wimbledon-Court war - mein Wohnzimmer."

Seit etwa 30 Jahren läuft Solibida die, je nach Startpunkt, zwischen elf und zwölf Kilometer lange Strecke. Davor hat der Hückeswagener an der für ihn noch näher gelegenen Wupper-Vorsperre mit dem Laufen angefangen: "Sie hat mit etwa fünf Kilometern eine gute Anfangsdistanz, denn für zwölf Kilometer sollte man schon im Training und nicht gerade völliger Laufanfänger sein."

Es gibt zwei möglich Startpunkte, um seinen Lauf um die "Neye", wie sie umgangssprachlich genannt wird, zu starten. Entweder am Wanderparkplatz neben dem Schnitzelhaus Röttenscheider Höhe, oder etwa einen Kilometer weiter, am zweiten, ein wenig größeren Wanderparkplatz. In beiden Fällen kann man nicht unmittelbar ans Wasser, aber ein kurzer Fußweg von etwa 900 Metern Länge führt einen direkt an die Staumauer. "Ich laufe immer links herum, also nicht gleich weiter über die Mauer", sagt der 59-Jährige. Das bleibt aber natürlich jedem Läufer selbst überlassen - für den Lauf spielt es keine Rolle.

Für Solibida hat die Neye-Talsperre eine ideale Trainingsstreckenlänge. "Mir geht es zudem nicht um die kurze Strecke, ich laufe lieber länger. Und wenn man will, kann man den Lauf ja auch auf fast alle Strecken von Mittelstrecke bis Ultramarathon ausdehnen", sagt er. Ganz nebenbei, so fügt er schmunzelnd an, befinde man sich hier an der schönsten Talsperre im Bergischen Land: "Hier findet man Natur pur. Und das zu jeder Tageszeit, zu jeder Jahreszeit und auch bei jedem Wetter." Einen großen Vorteil hat nämlich die dichte Bewaldung rund um die Neye: "Wenn es nicht gerade wie aus Eimern schüttet, wird man auch beim Regen kaum nass", sagt Solibida.

Abgesehen davon bietet sich dem Läufer die wunderschöne und unberührte Natur im Landschaftsschutzgebiet. "Der nicht geteerte Weg bietet so viele friedliche Eindrücke. Das ist ideal zum Abschalten nach der Arbeit. Wenn ich mit einem Problem im Kopf loslaufe, dann bin ich es am Ende des Laufs los."

Und in der Tat: Der Blick schweift über das ruhige Wasser, während man Schritt für Schritt läuft. Alleine das lässt einen ruhiger werden. Und wenn man gerne alleine joggt, muss man auch während des ganzen Laufs niemandem begegnen. "Es ist eine beliebte Strecke, vor allem am Wochenende, aber dadurch, dass sie etwas länger ist, verläuft es sich schnell und stört überhaupt nicht", bestätigt Solibida. Für ihn ist besonders der Herbst reizvoll: "Dann erinnert mich der Blick über den See an den Indian Summer in Kanada - eine echte Perle im Bergischen Land."

Dadurch, dass das Neyetal niedriggelegen ist, bekommt man beim Lauf den Eindruck, man befände sich in einem riesigen Waldgebiet mit See - und weit darum herum sei nur unberührte Landschaft: "Durch die Tallage bekommt man von Bebauung und Straßenlärm praktisch nichts mit", sagt Solibida. Vögel zwitschern, der Wind rauscht durch den Wald und ab und zu zeigen sich neben den zahlreichen Wildvögeln über dem See auch schon einmal andere Waldbewohner: "Ich habe schon Rehe, Füchse, Dachs oder auch einmal eine kleine Ringelnatter gesehen", erklärt der 59-Jährige. Er lässt nichts auf sein "Wohnzimmer" kommen: "Ich suche mir ab und zu auch einmal andere Strecken - aber ich komme immer wieder zurück", sagt er.

Auch wenn es manchmal durchaus fast zu viel Natur wird, wie er lachend eine Anekdote erzählt, die wohl nur im Rückblick lustig ist: "Ich bin schon ein paar Mal, nicht nur an der Neye, von größeren Wildvögeln, vermutlich Milanen, wohl mit Futter verwechselt worden", sagt er. Die Tiere hätten sich auf ihn gestürzt, auch wenn sie ihn nicht berührt oder gar verletzt hätten. "Ich habe dann aber schon ein mulmiges Gefühl gehabt, wenn der Vogel drei- oder viermal angestürzt kommt", sagt Solibida. Er habe sich dann nahe an einen Baum gestellt und sich einen Stock gesucht, für den Fall, dass der Vogel wieder käme.

Das sind aber Ausnahmen gewesen, die den 59-Jährigen auch weiterhin nicht vom Joggen um die Neye abhalten werden: "Ich wünsche mir, dass dieses Kleinod noch lange so bestehen bleibt - und dass ich auch noch die nächsten 30 Jahre um die Neye laufen kann".

(RP)
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