Solingerin sucht Hilfe Wohnungslos mit knapp 80 Jahren

Solingen · Monika Kühnichel ist verzweifelt. Ihre Wohnung ist feucht, sogar Ratten soll es dort geben. Wohnen kann sie dort nicht mehr. Nach einem Streit mit ihrem Vermieter sitzt sie auf der Straße. Ohne Hilfe, fürchtet sie, findet sie keine neue Wohnung.

 Monika Kühnichel musste aus ihrer Wohnung raus. Feuchtigkeit hatte sie unbewohnbar gemacht. Jetzt sucht sie verzweifelt nach einem neuen Zuhause.

Monika Kühnichel musste aus ihrer Wohnung raus. Feuchtigkeit hatte sie unbewohnbar gemacht. Jetzt sucht sie verzweifelt nach einem neuen Zuhause.

Foto: Carolin Streckmann

Vor einer Bäckerei in Ohligs wartet Monika Kühnichel. Sie ist in sich zusammengesunken, die Strapazen der vergangenen Wochen zeichnen ihr Gesicht. Etwas Hoffnung erhellt ihre Augen, als Gabriela H. und Heike B. zu ihr kommen. Sie sind da, um Monika Kühnichel zu helfen. Beide arbeiten in einem Haushaltsdiscounter in Ohligs, Kühnichel ist dort seit Jahren Kundin. Die Frauen betreten die Bäckerei. Kühnichel fällt das sichtlich schwer. Der Rücken tut der 79-Jährigen weh, eine Entzündung ist Schuld. Sie läuft langsam, stark vornübergebeugt.

Monika Kühnichel ist wohnungslos. Einen Mietvertrag hat sie zwar noch, doch leben kann sie in der Wohnung am Rande von Ohligs nicht mehr, wie sie sagt. „Die Wohnung ist feucht und nass. Die Heizung funktioniert auch nicht mehr. Das ist ein absolutes Nässegebiet“, sagt sie über die Gegend, in der sie bis vor Kurzem gelebt hat. Die Wohnung sei nicht auf diese Bedingungen ausgerichtet. „Da ist nichts isoliert.“ Die Wände bestünden zum Teil aus Rigipsplatten, die der Feuchtigkeit nicht standhalten könnten.

„Vermutlich hätte man die Wohnung gar nicht vermieten dürfen“, sagt Kühnichel. Ihre Augen werden feucht, während sie erzählt. Immer wieder unterbricht sie sich. Greift nach einem Taschentuch. Tupft sich die Augen. 15 Jahre habe sie dort gewohnt, nachdem sie ihre Eigentumswohnung nach dem Tod ihres Mannes habe verlassen müssen. Jetzt sei ihre Wohnung von der Feuchtigkeit zerstört, sagt die Rentnerin. Noch schlimmer: Sogar Ratten habe sie dort gesehen. Der Vermieter legte Fallen mit Gift aus, das Probleme habe sich dadurch jedoch nicht gelöst, sagt Kühnichel. „Ich hatte so eine Angst zum Schluss.“ Irgendwann sei die Bauaufsichtsbehörde eingeschaltet worden. „Die haben die Wohnung für nicht bewohnbar erklärt.“ Inzwischen habe sie einen Anwalt eingeschaltet, da sie sich vom Vermieter im Stich gelassen fühle.

Mit ihrem Hund floh Kühnichel regelrecht aus der Wohnung. „Ich habe ein paar Tage in meinem Auto an der Ohligser Heide geschlafen“, sagt sie traurig. Schließlich habe sie sich an die Stadt gewandt. Für rund zwei Wochen kam sie einem Frauenhaus unter. „Die haben mir erst gesagt, ich könne den Hund behalten, doch dann haben sie Tierheime kontaktiert.“ Ihr Hund sei für eine kurze Zeit nach Remscheid gekommen. „Die Trennung bekam dem Hund nicht. Er hat nicht richtig gegessen, war ganz verstört.“ Monika Kühnichel holte ihn zurück und verließ das Frauenhaus. „Ich habe doch sonst niemanden“, sagt sie über ihr Haustier. Aktuell komme sie bei einer ehemaligen Kundin unter, bei der sie früher Zeitungen ausgetragen habe. „Wir verstehen uns gut. Ich habe eine Liege, auf der mein Hund und ich schlafen können. Es ist warm.“ Eine Dauerlösung sei das jedoch nicht.

Ihre Kleidung und ihre Möbel seien noch in der alten Wohnung, so Kühnichel. „Das meiste ist kaputt, verschimmelt.“ Sie habe nur wenige Kleidungsstücke neu kaufen können. Die Strickjacke, die sie trage, habe ein Händler in Ohligs ihr geschenkt, um ihr zu helfen. Auch Gabriela H. und Heike B. erzählte sie beim Einkauf von ihrer Situation. Die beiden Frauen möchten etwas für die Rentnerin tun. „Es ist wirklich ein Notfall. Man kann eine ältere Frau nicht einfach auf die Straße setzen, gerade bei der Kälte“, sagt B.

Die Stadt erklärte auf Anfrage, sich aus Datenschutz-Gründen nicht zu dem Fall äußern zu können. Es gebe eine Zentrale Fachstelle für Wohnungsnotfallhilfe, die die erste Anlaufstelle für alle sei, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind. Auch einen Wohnberechtigungsschein könne man dort beantragen sowie Unterstützung für eine Mietkaution.

Gabriela H. möchte Monika Kühnichel helfen, die entsprechenden Anträge zu stellen und eine neue Wohnung zu suchen. „Sie kann nicht mehr so gut sehen“, sagt H., deswegen brauche die 79-Jährige dabei Hilfe. „Ich habe nicht viel Freizeit, aber wenn Sie einen Termin bei der Stadt oder eine Wohnungsbesichtigung haben, kann ich Sie begleiten“, bietet H. an. Sie stehe schon auf der Warteliste für Seniorenwohnungen, sagt Kühnichel. „Aber die Liste ist lang.“ Wann eine Wohnung frei werde, könne niemand sagen. Und ob sie ihren Hund mitnehmen könne, wisse sie auch nicht.

Monika Kühnichel ist verzweifelt. Das sagt sie mit Worten. Doch das sagt auch ihr trüber Blick, ihre zitternde Unterlippe. Sie habe schon darüber nachgedacht, vor einen Zug zu springen, gibt sie unter Tränen zu. Doch sie wolle kämpfen. „Ich musste immer kämpfen“, setzt sie hinzu. Trotz ihres Alters würde sie auch gerne arbeiten, um ihre Rente aufzustocken. Momentan sei das gesundheitlich nicht möglich. Folgen der nassen und kalten Wohnung. „Ich werde an Silvester 80“, sagt Kühnichel. „Aber ich bin nicht der Typ, der nicht arbeitet.“

Hohe Ansprüche an eine Wohnung habe sie nicht. „Ich brauche nicht viel. Ein Zimmer, Küche, Bad.“ Und ihr Hund müsse bei ihr bleiben dürfen. „Ich kann momentan nicht schlafen. Mein Arzt wird sicher mit mir schimpfen, dass ich schon wieder abgenommen habe.“ Wieder kämpft sie mit den Tränen. „Besonders schlimm ist es jetzt in der Vorweihnachtszeit. Es ist das erste Mal, dass ich keinen Weihnachtsbaum habe.“ Sie fängt an zu weinen. Dann lächelt sie Gabriela H. dankbar zu, die tröstend eine Hand auf ihren Arm legt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort