Solingen Wilfried Schmickler: Das ist doch das Letzte

Da freut sich der domstädtische Grunz-Bojar: Neben afrikanischem Querhornblasen und Kleidung aus Baumrinde gehört nun auch der Kölner Karneval zum Weltkulturerbe. Wilfried Schmickler kann sich da nur an den Kopf packen, bei dem Gedanken, dass ein kollektives Massenbesäufnis es zu solchen Ehren schafft. "Ich habe mir alle Sendungen im Fernsehen angeguckt: Karneval ist nichts anderes als Blutwurst essen, Bier trinken und die wage Aussicht auf Geschlechtsverkehr."

Auch sonst kann es ein Fehler sein, die Glotze anzuschalten. Wenn etwa schnauzbärtige Koch-Kasper in ihren Töpfen rühren. "Man kommt sich vor wie im Vorhof der Hölle." Geistreich, bissig und wortgewandt begeisterte der Kabarettist bei den Walder Theatertagen im Pädagogischen Zentrum der Friedrich-Albert-Lange-Schule. Es war so voll besetzt, dass die fleißigen Helfer noch zahlreiche Stühle herbeischaffen mussten. Das zu Recht: Denn Schmickler gehört zu der handvoll Kabarettisten, die es ganz im Sinne Kurt Tucholskys verstehen, aus dem Wort eine Waffe zu machen. Davon zeugt auch sein neues Programm "Das Letzte".

Egal, ob es dabei um die kleinen Belange des Alltags geht oder die ganz großen Sachen - wie etwa Weltuntergang. "Es ist erstaunlich, was so alles im Darm verschwindet", weist Schmickler auf den Fleischatlas für Deutschland hin. Da haben die Fressforscher herausgefunden, wieviel Kreaturen der Deutsche in seinem Leben so für die Bratpfanne mästet und verputzt: 14 Rinder, 46 Schweine und 945 Hühner. Und trotz der Mahnungen der Gemüselutscher heißt es: "Weitermachen wie bisher." Aber irgendwann wird auch der letzte Deutsche seinen letzten Rülpser getan haben und von der Erde verschwinden. "Dann kommen die Archäologen, um zu sehen, was der Mensch am Anfang des dritten Jahrtausends so alles als Grabbeigaben mitbekommen hat." Diese Inventurliste wird einem Einkaufszettel gleichen: Fahrradhelm, Schamhaarrasierer, Milchaufschäumer. "Gott guckt sich das aus dem Himmel an und muss feststellen, dass der Teufel die Hölle bereits auf die Erde verlegt hat."

Schmickler legt verbalakrobatisch den Finger in die Wunden. Da zeigt Angela Merkel ihrem chinesischen Kollegen an der Fleischtheke ihre geliebten Schinkenknacker. "Menschenrechte hin, Hinrichtungen her - die Wurst muss verkauft werden." Vielleicht wäre es da doch besser gewesen, wenn nach 1945 der Morgenthau-Plan umgesetzt worden wäre: Deutschland als reines Agrarland. Dann wären heute allerdings unsere Eingreiftruppen nur mit Mistforken und Güllepumpen bewaffnet. Kein Nachteil: "Denn dann muss man sich nicht mit Panzern, die nicht fahren, Hubschraubern, die nicht fliegen, und Gewehren, die nur im kalten Krieg schießen, herumärgern." Leider aber leben wir in einer Zeit des "real kollabierenden Kapitalismus" und der Beschleunigung, in der der Mensch nur hinterherhecheln kann.

Die Scheinwelt des Internets nimmt Schmickler aufs Korn und fragt, wo der Internet-Süchtige Hilfe bekommt?: Natürlich im Internet. "So wie der Alki in die Kneipe geht, der Wirt ist sein Therapeut." Aber man kann den PC auch mal auslassen. Neben Online-Shopping gibt es ja immer noch Analog-Einkaufen. Da fährt der Steinzeitnostalgiker gerne mal ins Möbelparadies, um eine neue Sitzgarnitur zu erwerben. "Aber statt dessen kaufe ich einen großen Beutel Teelichter und einen gelben Spannbezug", wundert sich Schmickler. "Dabei habe ich keine Erinnerung an eine bewusste Kaufentscheidung." Bewusst aber ist Schmickler Wiederholungstäter in Solingen: "Das sind meine absoluten Lieblingstheatertage in meinem absoluten Lieblings-Wald."

(RP)
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