D´r Zoch kömmt nit! Jecken verdrängen den Schmerz

Solingen · „Es wird ein ganz normaler Tag“ – wie Vertreter des organisierten Karnevals in Solingen in Zeiten der Corona-Krise mit der Tristesse am Rosenmontag umgehen.

 Joachim Junker, Präsident der Prinzengarde Blau-Gelb Ohligs.

Joachim Junker, Präsident der Prinzengarde Blau-Gelb Ohligs.

Foto: Peter Meuter

Uniform und Narrenkappe hängen traurig in der Garderobe. Statt Kamelle zu werfen, holt man sich selbst allenfalls ein Lutschbonbon aus dem Schrank, und mit viel Luftschlange wird wohl diesmal auch nicht gearbeitet: Fast scheint es an diesem Rosenmontag, als hätte sich der Aschermittwoch vorgedrängelt.

Wenigstens das Fernsehen versucht mit „Best-Of Bütt“-Sendungen und einem Umzug der Stockpuppen im Kölner Karnevalsmuseum, jecken Würdenträgern und närrischem Fußvolk ein Stück von den tollen Tagen ins Wohnzimmer zu transportieren. Doch selbst das sorgt bei den Anhängern des sonst so feucht-fröhlichen Treibens allenfalls für gemischte Gefühle.

„Ich schaue mir schon etwas an, aber lange kann ich das auch nicht“, gesteht Joachim Junker, Präsident der Prinzengarde Blau-Gelb Solingen-Ohligs und Ehrenvorsitzender des Festausschusses Solinger Karneval. Denn schließlich erinnere einen das gesamte Programm an das, was im Moment eben nicht möglich ist. „Das macht es eher noch beklemmender“, sagt Junker.

Ähnlich sieht es Karnevals-Urgestein Willy Weber, der auf unzählige eigene Auftritte zur fünften Jahreszeit zurückblickt. „Dazu braucht es einfach das Publikum“, bekräftigt er. Entsprechend wenig könne er sich zum Beispiel mit Bildern eines einsamen Tanzpaares im sonst menschenleeren Gürzenich anfreunden. „Es wird ein ganz normaler Tag werden“, fasst Weber lapidar zusammen.

„Wir sind bitter-traurig“, gibt auch Hermann Pohl, Präsident der Karnevalsgesellschaft Alt Solingen, einen Einblick in seine Gefühlswelt. Normalerweise würde er den Rosenmontag gemeinsam mit närrischen Mitstreitern aus Köln, Duisburg und sogar Karlsruhe verbringen. „Aber wir halten natürlich die Füße still“, versichert Pohl.

Hermann Pohl, Präsident der KG Alt Solingen, ist „bitter traurig“.

Hermann Pohl, Präsident der KG Alt Solingen, ist „bitter traurig“.

Foto: Michael Schütz

Was selbstverständlich nicht heißt, dass er nicht dennoch Kontakte zu den Leidensgenossen pflegt: „Ich werde viel mit anderen Mitgliedern telefonieren“. Auch wenn die Session 20/21 eher kein Objekt seliger Schwärmereien werden wird – einen Orden mit dem Konterfrei ihres Standartenführers als bleibendes Zeugnis dieses Jahrgangs entwarf die KG Alt Solingen dennoch und brachte ihn unter Einhaltung der Hygieneregeln unter seine Mitglieder.

Das ließ sich auch die Prinzengarde Blau-Gelb Solingen-Ohligs nicht nehmen: Auf einer Art Kompass vereint ihr Orden symbolisch die Jecken aus den verschiedenen Städten der Region und ihre Schlachtrufe – wo sie schon nicht Arm in Arm gemeinsam schunkeln und singen können.

„Ich werde mich aber auch mit vielen Menschen austauschen“, verrät Joachim Junker. Das laufe per Telefon, via E-Mail oder mit aufmunternden Bildern über WhatsApp. Und ein Gläschen zum „virtuellen“ Zuprosten werde man sich natürlich auch gönnen, stellt Junker klar. Alle Jecken eine letztlich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft – und eine nächste Session, in der die Kamelle wieder durch die Luft fliegen und die bunten Narrenkappen in aller Öffentlichkeit die Häupter der Würdenträger schmücken.

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