Solingen Wege aus der Schuldenkrise

Solingen · Der Schuldenberg Solingens ist riesengroß. Weitere Belastungen drohen durch Sanierungsstau an Stadtgebäuden. Doch ist Kämmerer Ralf Weeke überzeugt, die Stadt entschulden zu können – in 30 Jahren und unter Bedingungen.

Der Schuldenberg Solingens ist riesengroß. Weitere Belastungen drohen durch Sanierungsstau an Stadtgebäuden. Doch ist Kämmerer Ralf Weeke überzeugt, die Stadt entschulden zu können — in 30 Jahren und unter Bedingungen.

 Hoch über dem Solinger Rathaus thront symbolisch der Pleitegeier – wenn die von Überschuldung bedrohte Stadt ihn vertreiben will, sind große Anstrengungen nötig, Sparbeschlüsse müssen konsequent umgesetzt werden.

Hoch über dem Solinger Rathaus thront symbolisch der Pleitegeier – wenn die von Überschuldung bedrohte Stadt ihn vertreiben will, sind große Anstrengungen nötig, Sparbeschlüsse müssen konsequent umgesetzt werden.

Foto: Mak

Der internationale Ruf der "Sparstadt" Solingen hat Japan erreicht. Ende Februar wird Professor Uno von der Universität Sapporo im Solinger Rathaus erwartet. Der Finanzwissenschaftler kommt, um zu lernen. Stadtkämmerer Ralf Weeke wird ihm das Solinger Spar-Konzept mit Bürgerbeteiligung erläutern, das weithin für Schlagzeilen sorgte und inzwischen offenbar weltweite Beachtung findet.

Der Düsseldorfer Regierungspräsidentin Anne Lütkes reichen gute Ideen aber nicht, sie interessiert sich für Zahlen. In ihrem jüngsten "Brandbrief", in dem sie das 2011 vorgelegte Haushaltssanierungskonzept Solingens nicht genehmigte, setzt sie klare Vorgaben für die von Überschuldung bedrohte Stadt und verhängt etwa einen Beförderungsstopp für die gesamte Verwaltung. Stadtkämmerer Ralf Weeke hat nun klare Ziele: Bis zum 30. September muss die Stadt ein Haushaltssanierungskonzept vorlegen, das die Aufsichtsbehörde in Düsseldorf überzeugt. Bis 2018 muss der Haushaltsausgleich geschafft sein, mit Hilfe des Geldes aus dem Stärkungspakt 2 des Landes, bis 2021 aus eigener Kraft. Gelingt das nicht, müssen die Hilfsgelder vom Land zurückgezahlt werden. Weekes Fernziel ist aber noch weitreichender. Die völlige Entschuldung der Stadt ist für den Finanzfachmann keine bloße Utopie: "Unter günstigen Voraussetzungen kann das gelingen", sagt der Kämmerer. "Allerdings erst in etwa 30 Jahren."

Günstige Voraussetzungen, das bedeutet für Weeke, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter gut bleiben. Eine Konjunktur- oder gar eine tiefe Wirtschaftskrise würden die Bemühungen verzögern oder gar scheitern lassen. "Es dürfen auch keine weiteren Belastungen vom Land hinzukommen."

Wie hoch ist der Schuldenberg wirklich?

Die Zahlen liegen auf dem Tisch: 480 Millionen Euro muss die Stadt an Kassenkrediten bedienen. Sogenannte Liquiditätskredite, ursprünglich zur Finanzierung vorübergehender Haushaltslücken gedacht, sind heute Dauereinrichtung. Sie dienen vor allem zur Deckung laufender Kosten der Verwaltung, vor allem der Personalkosten. Fielen solche Kredite aus, könnte die Stadt die Gehälter nicht mehr zahlen. Hinzu kommen Investitionskredite in Höhe von 180 Millionen Euro. Sie dienen zur Deckung von Baukosten, etwa zur Instandhaltung des riesigen Abwassersystems der Stadt. Hinzu kommen aber weitere Belastungen. Als wohl größten Kostenberg sieht Weeke die Ausgaben, die durch einen "Instandhaltungsstau an Gebäuden und Straßen" auf die Stadt zukommen. Solingen sei ein typisches Beispiel für Kommunen, die in den langen Jahren des Sparzwangs kaum noch in ihre Infrastruktur investiert hätten. Die nötigen Investitionen, allein um einen verkehrssicheren Zustand von Straßen und Gebäuden in den kommenden Jahren aufrechtzuerhalten, beziffert der Kämmerer auf mehr als 100 Millionen Euro. Hinzu kämen weitere 50 Millionen Euro, um Gebäude für Verwaltung und Schulen auf einen modernen und zeitgemäßen Stand zu bringen.

Weitere Belastungen könnten sich aus Pensionswellen der derzeit 600 Beamten ergeben, die die Stadtverwaltung beschäftigt. Laufende Auszahlungen sind im Haushalt eingestellt, so Weeke. Doch erwartet die Stadt für die kommenden Jahre teilweise erhebliche Zuwächse, für die es keine Rücklagen, etwa in Form einer Pensionskasse, gibt.

Schließlich zahlt der Bürger auch indirekt kräftig in die Stadtkasse. 280 Millionen Euro Schulden der Technischen Betriebe der Stadt werden über erhöhte Gebühren an die Verbraucher weitergereicht.

Wie kann der Schuldenberg abgetragen werden?

Ende April will die Verwaltung den Haushalt 2012 in den Rat einbringen. Bis dahin müssen die Zahlen und Positionen sattelfest sein. 43 Millionen Euro schwer ist das Sparpaket, das die Stadt stemmen will, erneut mit kreativer Beteiligung der Bürger. Doch ist die Lücke, die zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft, weit größer. Rund 70 Millionen fehlen insgesamt zum Haushaltsausgleich, den die Kämmerei bis 2021 auch aus eigener Kraft schaffen muss. Dabei sollen Landesmittel aus dem Stärkungspakt II helfen: vier Millionen Euro in 2012, 7,5 Millionen in 2013 und ab 2014 20 Millionen jährlich.

Schafft die Stadt den Haushaltsausgleich, ist Weeke zuversichtlich, dass dann auch die Schuldentilgung gelingt. Von 70 Millionen Defizit seien etwa 15 Millionen Buchungsschulden, wie Rücklagen und Abschreibungen. Sie seien nicht auszahlungswirksam und so nicht zinspflichtig. Der Betrag könnte dann jährlich getilgt werden. Zudem hofft Weeke auf weitere Einnahmen: Seine Forderung, profitable Stadttöchter wie die Soparkasse an der Kassensanierung zu beteiligen, stieß dort bisher auf taube Ohren. Doch könnten solche Rufe lauter werden.

(RP/url)
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