Solingen Vorwürfe gegen Klinikum

Solingen · War der Störfall im November zu verhindern, als Feuchtigkeit in die Druckluftanlage des Klinikums geriet? Das behauptet eine Firma, die Überwachungssysteme für solche Anlagen baut. Das Klinikum widerspricht aber.

Rund sieben Wochen nach dem schweren Zwischenfall in der Druckluftanlage des Städtischen Klinikums wird Kritik an dem Krankenhaus sowie an der Bezirksregierung laut. "Ein permanentes Überwachungssystem hätte den Störfall verhindert", sagte am Freitag Andreas Teichmann, Geschäftsführer der Firma TPS Technology in Mönchengladbach.

Das Unternehmen stellt Geräte zur ständigen Überwachung von Druckluftanlagen her. Teichmanns Vorwurf: Das Klinikum habe es über Jahre versäumt, das moderne System einzuführen. Und die Bezirksregierung als Kontrollbehörde trage wegen laxer Überprüfungen hierfür die Verantwortung.

Die Bezirksregierung sah am Freitag keine Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Der Fall müsse erst überprüft werden, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Das Klinikum wies den Vorwurf hingegen zurück. "Ein permanentes Überwachungssystem hätte uns nicht genutzt", sagte die leitende Apothekerin des Klinikums Dorothea Graetz-Patzer.

Die Apothekerin ist für die Druckluft des Krankenhauses verantwortlich, weil es sich bei Druckluft im Sinne des Gesetzes um ein Arzneimittel handelt. Mit einem permanenten Überwachungssystem sei die Panne vom November aus technischen Gründen gleichwohl nicht zu verhindern gewesen, so Graetz-Patzer. Dennoch prüfe man seit zwei Jahren die Einführung eines solchen Systems, das ständig Messungen durchführt und Alarm schlägt, sobald in der Druckluftanlage etwas anderes als Luft ist.

Das war am 24. November der Fall. Nach einer routinemäßigen Überprüfung der Druckluftanlage durch eine Fachfirma sowie durch den TÜV war Feuchtigkeit in das Druckluftsystem eingedrungen. Druckluft wird aber für Operationen gebraucht. Und nachdem die Feuchtigkeit über die Anlage in die Narkosegeräte des Klinikums geraten war, mussten die im Dienst befindlichen Anästhesisten schnell reagieren.

"Man hatte großes Glück, dass zu dem Zeitpunkt die OPs schon zu Ende waren", sagte TPS Technology-Geschäftsführer Teichmann gestern. Von "Glück" hatte nach dem Unfall auch der ärztliche Direktor des Klinikums, Professor Thomas Standl gesprochen. Zum Zeitpunkt des Zwischenfalls seien aber "nur drei Patienten in Narkose und die Operationen fast beendet" gewesen. Gefahr für die Patienten habe zu keiner Zeit bestanden, so Standl im November gegenüber der Morgenpost.

Eine Einschätzung, der gleichwohl widersprochen wird. "Die Patienten hätten sterben können", sagte gestern ein Brancheninsider. Wäre Wasser über die Beatmungsgeräte in die Lungen der Patienten gelangt, wäre dies tödlich gewesen, so der Fachmann. Ein permanentes Überwachungssystem hätte hingegen dazu geführt, dass die Feuchtigkeit in der Druckluftanlage erst gar keine Auswirkungen bei den OPs gehabt hätte. "Das System der permanenten Überwachung hätte einen neuen Notfallplan möglich gemacht. Und so wäre man sofort in der Lage gewesen, die Druckluft über eine andere Leitung zu transportieren", sagte der Brancheninsider.

Dabei ist das Klinikum Solingen kein Einzelfall. Nur wenige Krankenhäuser haben bisher ein solches Überwachungssystem, das eine Investition von mehr als 100 000 Euro erfordert. Die Universitäts-Klinik Münster ist eines dieser Krankenhäuser. "Wir haben damit sehr gute Erfahrungen auch in Sachen Sicherheit gemacht", sagte ein Sprecher der Uni-Klinik gestern unserer Zeitung.

Der im November entstandene Defekt in der Druckluftanlage wurde wenige Tage später behoben. Allerdings entstand an Narkosegeräten ein Millionenschaden. "Darüber werden Gutachten erstellt", sagte Klinikum-Chef Hermann-Josef Bökmann. Das Klinikum will den Schaden durch die Firma ersetzt bekommen, die die Anlage routinemäßig kontrolliert hatte.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort