Solingen Vorwürfe gegen Jugendamt

Solingen · Über ein halbes Jahr hat ein Schausteller-Paar mit seinen vier Kindern und mehreren Ponys ohne Erlaubnis auf einer Wiese in Wald gelebt. Eine Zwangsräumung war aber nicht nötig. Die Familie ist abgezogen. Die Stadt sieht sich nicht in der Verantwortung.

 Wilhelm Hövelmeyer und Elke Müller hatten mit ihren vier Kindern und anfangs neun Ponys auf einem Privatgrundstück an der Demmeltrather Straße ohne Erlaubnis ihre Zelte aufgeschlagen.

Wilhelm Hövelmeyer und Elke Müller hatten mit ihren vier Kindern und anfangs neun Ponys auf einem Privatgrundstück an der Demmeltrather Straße ohne Erlaubnis ihre Zelte aufgeschlagen.

Foto: mak/hol (Archiv)

Der Streit um die Schausteller-Familie an der Demmeltrather Straße in Wald ist beendet. Elke Müller und Wilhelm Hövelmeyer, die sich im April mit vier Kindern und bis zu neun Ponys ohne Erlaubnis auf der Wiese einer Solingerin niedergelassen hatten, sind vor rund einer Woche freiwillig weitergezogen. Eigentlich war für gestern eine Zwangsräumung angesetzt. "Wir hatten auch einen entsprechenden Schutzeinsatz vorbereitet, um die Gerichtsvollzieherin zu begleiten", teilt Polizeisprecherin Claudia Otto auf Anfrage mit. Doch dies sei nicht mehr notwendig gewesen. Für die Stadt Solingen ist der Fall damit ebenfalls beendet. Sie sieht keinen Anlass, andere Städte auf die Familie hinzuweisen.

Für Gemeindeschwester Bettina Hahmann von der evangelischen Kirchengemeinde Wald ein Skandal. Sie hat sich regelmäßig um die Familie gekümmert. "Die Eltern sind mit der Erziehung völlig überfordert", berichtet sie. "Sie lassen die zwei- bis elfjährigen Kinder häufig allein. Die älteren müssen mit Büchsen für den Lebensunterhalt sammeln gehen. Krankenversichert ist niemand. Deshalb sehen die Kinder auch so gut wie nie den Arzt, egal, wie krank sie sind und obwohl eins nur eine Niere hat und regelmäßig untersucht werden müsste. Das Gelände war völlig vermüllt, in den Waggons Ungeziefer, und im Hundenapf tummelten sich die Ratten. Wenn schon die Grundbedürfnisse wie Essen, Fürsorge und Bildung nicht gegeben sind, wie kann man da sagen, den Kindern gehe es gut?" Für sie sei unbegreiflich, wie Jugend- und Ordnungsamt vor einer solchen Situation die Augen verschließen könnten, obwohl sie ihnen oft genug Hinweise gegeben habe. "Es wäre auch dringend notwendig, andere Jugendämter zu informieren", findet sie. "Muss erst ein Kind sterben?"

Laut Stadt ist man, als die Familie nach Solingen gezogen sei, Hinweisen nachgegangen. Eine Überprüfung habe jedoch keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass das Jugendamt einschreiten müsse.

Doch auch Christoph Bieker, der Anwalt der Grundstückseigentümerin, ist skeptisch, wie es mit der Familie weitergeht. "Ich habe mich gewundert, dass sich in Solingen keiner so richtig für die Kinder zu interessieren schien." Um die Ponys hatten sich Tierschützer gesorgt.

Wie es heißt, ist die Familie, die offiziell in Leverkusen-Hitdorf in einer Drei-Zimmer-Wohnung gemeldet sein soll, zuerst nach Monheim gegangen. Weil sie aber auch dort nicht bleiben durfte, habe man ihr das Geld für die Rheinfähre gezahlt, so dass sie sich jetzt wahrscheinlich in Zons aufhalte. Dem dortigen Ordnungsamt liegen allerdings noch keine Hinweise dazu vor, teilte es auf Anfrage unserer Zeitung mit.

"Wir sind sehr froh, dass wir die Zwangsräumung abwenden konnten", sagt Rechtsanwalt Christoph Bieker. Denn eine solche Räumung wäre mit enormen Kosten verbunden gewesen. "Wir hätten die Tiere und die Wohnwagen irgendwo für zwei Monate unterstellen müssen. Denn man darf sie nicht einfach an die Straße stellen."

Man habe deshalb "einiges dafür getan", dass die Familie freiwillig abgezogen sei. Details wollte der Rechtsanwalt nicht nennen. Die Grundstückseigentümerin, die Anzeige gegen die Schausteller gestellt hatte, will die Wiese an der Demmeltrather Straße nun — wie seit längerem geplant — verkaufen.

Kommentar

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort