Vorgärten als „Steinwüste“ Braucht Solingen eine Ortssatzung?

Wüste Vorgärten haben in der Klingenstadt den Stein ins Rollen gebracht. Noch setzen die sich für naturnahe Vorgärten stark machenden Politiker und auch die Verwaltung auf die Einsicht der Hausbesitzer.

 Neu sehen die Schottergärten, wenn man sie mag, noch adrett aus. Später bildet sich durch Pollen, Blüten, Samen und Blätter eine Humusschicht.

Neu sehen die Schottergärten, wenn man sie mag, noch adrett aus. Später bildet sich durch Pollen, Blüten, Samen und Blätter eine Humusschicht.

Foto: Fred Lothar Melchior

„Hübsch hässlich habt ihr‘s hier“, hätte Heinz Rühmann in seiner Rolle als Pfarrer Brown gesagt – angesichts der Steinwüsten in Solingens Vorgärten. Auch wenn Schönheit im Auge des Betrachters liegt: Politiker und Stadtverwaltung haben ein anderes Ideal und machen sich für naturnahe Vorgärten stark – noch ohne Druck, aber notfalls auch durch eine Ortssatzung.

„Wir haben immer die Überlegung gehabt, den Menschen so wenig wie möglich vorzuschreiben“, sagt Bernd Krebs, der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt, Klimaschutz und Mobilität sowie stellvertretender Vorsitzender des Beirats Untere Naturschutzbehörde. Die „exorbitant fiesen“ Schottergärten, so Krebs, hätten aber ein Umdenken bewirkt. Im September letzten Jahres griff der Ausschuss eine Anregung des Agenda-Teams auf und forderte die Stadtverwaltung zum Handeln auf.

„Mensch, mach grau zu bunt!“, heißt der Flyer, den die Technischen Betriebe daraufhin zusammen mit dem Stadtdienst Natur und Umwelt entwickelten. Er ging den Hausbesitzern mit dem Grundabgabenbescheid zu. „Wenn wir merken, das fruchtet nichts, werden wir es im Rahmen einer Ortssatzung machen“, unterstreicht Krebs. Für das Neubaugebiet an der Maschinenstraße etwa sollen umfangreiche Vorgaben gemacht werden – von der „prozentualen Begrünung der Vorgartenflächen“ bis zur Begrünung von Garagendächern.

 „Das Allerschlimmste ist, wie die Insekten unter den Schotterflächen leiden“, nennt Bernd Krebs einen der vielen Kritikpunkte an den Steinwüsten. „Wenn man dagegen sieht, wie schön es am Frankfurter Damm blüht . . .“. Dort und an anderen Stellen in der Stadt brachten die TBS 2017 nach Wildblumensamen auch Zwiebeln in den Boden zwischen Straße und Bürgersteig. Allerdings blüht es auch im einen oder anderen Schottergarten – wenn sich der Löwenzahn durch die Folie und die Steine arbeitet.

„Die Hoffnung auf Arbeitserleichterung und Zeitersparnis erfüllt sich nicht“, warnen die TBS in ihrem Flyer. Von „vielleicht zwei“ pflegeleichten Jahren spricht Garten- und Landschaftsbauer Ernst Greiser aus Ohligs. „Irgendwann ist aber die ganze Fläche verunkrautet. Und es wird ein Riesenaufwand, sie sauber zu halten.“ Greiser bietet deshalb keine Schottergärten an. „Stauden, Bodendecker und Rasen sind dauerhaft einfacher zu pflegen. Eine Hecke filtert Dreck und Lärm und spendet Sauerstoff.“

Sein Gräfrather Kollege Thomas Kathöfer weist auch auf den Preis eines Steingartens hin: „Eine Tonne der Steine kostet je nach Sorte zwischen 50 und mehreren hundert Euro. Da können Sie jede Menge Geld lassen. Und im Hochsommer strahlen die Steine richtig Hitze ab.“ Der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau hat bereits 2017 die Aktion „Rettet den Vorgarten“ gestartet.

Auch Bernd Martin, der bis Ende 1998 für die Untere Landschaftsbehörde arbeitete, setzte sich schon vor Jahren für mehr Naturnähe ein. Er freut sich einerseits, dass sich ein Teil seiner Anregungen in dem Flyer niederschlug. Ein Etappenerfolg zu einem Zeitpunkt, an dem einige andere Kommunen weiter waren. Martin hat auch schon einen neuen Vorschlag: „Die kleine Nachbarstadt Haan hat in ihren Abfallkalender Tipps für insektenfreundliche Vorgärten aufgenommen.“ Aber Haan nennt sich ja auch Gartenstadt – und der Abfallkalender heißt dort Umweltkalender.

Auch Bernd Krebs hat noch einige Ideen, wie Solingen grüner werden kann. Er hat verfolgt, wie in Utrecht hunderte Wartehäuschen bepflanzt und zu „Bee-Stops“, Bienen-Haltestellen, wurden – ein Ansatz, den man auch in Leipzig verfolgt. Krebs will das Gespräch mit den Stadtwerken suchen. Im Sommer möchte er dann mit Sprechern der anderen Parteien über eine Gestaltungssatzung diskutieren: „Wir haben einen Stand erreicht, wo wir über die Fraktionsgrenzen hinaus initiativ werden können.“

Gartenaktion Die Rheinischen Post hat unter dem Motto „Blumenmeer statt Steinwüste“ ein großes Gewinnspiel gestartet. Teilnehmen kann man per Anruf: 01379 88 67 11. Oder Online: rp-online.de/gartenseite

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort