Serie Gotteshäuser Von Schlossherren, Geheimzeichen und Gelöbnissen

Solingen · Die kleine Kapelle in Schloss Burg dient der Wermelskirchener Gemeinde Hünger regelmäßig als Gottesdienstort - und der hat es in sich.

 Erst 1901 entstand auf Schloss Burg die Kapelle - mit Bildern des Künstlers Willy Spatz, die die Geschichte erzählen, wie der christliche Glaube ins Bergische Land gekommen ist.

Erst 1901 entstand auf Schloss Burg die Kapelle - mit Bildern des Künstlers Willy Spatz, die die Geschichte erzählen, wie der christliche Glaube ins Bergische Land gekommen ist.

Foto: Moll Jürgen

Wer für gewöhnlich eine Kirchtüre öffnet, der ahnt, was ihn dahinter erwartet. In Schloss Burg liegen die Dinge anders: Hier scheint auf den ersten Blick das Schloss dem Kirchenraum die Show zu stehlen. Der Innenhof, die stolzen alten Gemäuer, der imposante Rundgang. Aber wer dann die breiten Steinstufen vom Hof hochsteigt, die schwere, etwas unscheinbare Holztür öffnet, der wird eines Besseren belehrt. "Das ist ein sehr besonderer Ort", sagt auch Cevin Conrad. Er führt Besuchergruppen durch die Burg und mag den Stopp in der kleinen Kapelle.

 Wer durch diese unscheinbare Holztür tritt, gelangt in den Gottesdienstraum. Das barocke Gestühl stammt aus der Stadtkirche Lennep.

Wer durch diese unscheinbare Holztür tritt, gelangt in den Gottesdienstraum. Das barocke Gestühl stammt aus der Stadtkirche Lennep.

Foto: Moll Jürgen

Früher, im 12. Jahrhundert, sei hier wohl ein opulentes Badezimmer mit eingelassenen Badewannen gewesen. "Man hat nackige Statuen gefunden", erzählt Conrad. Damals habe die Familie in Schloss Burg wohl noch anderer Stelle gebetet. "Wo, das wissen wir heute nicht mehr", erklärt der Burgführer. Mit dem Schlossbauverein zog die Kapelle in jenen kleinen, besonderen Raum um, den Besucher heute im ersten Stock erreichen. "Er sollte ein Prachtstück werden, zum Schloss passen, Romantik und Ansehen ausstrahlen", sagt Conrad. Und so entstand 1901 inmitten des Bergischen Landes, wo die Reformation Bilder, Darstellungen und Skulpturen gründlich aus den Gotteshäusern vertrieben hatte, ein kleiner evangelischer Gottesdienstraum voller Prunk.

 Die Figur des Erzengels Michael steht auf einem Drachen.

Die Figur des Erzengels Michael steht auf einem Drachen.

Foto: Moll Jürgen

"Es gab damals einen Wettbewerb unter Künstlern", erzählt Cevin Conrad. Willy Spatz machte das Rennen und schuf Bilder für die Ewigkeit. Weil biblische Motive aber den katholischen Kirchen vorbehalten waren, erzählen die Bilder jene Geschichte, wie der christliche Glaube ins Bergische Land kam. Cevin Conrad deutet auf die rückseitige Wand der kleinen Kapelle: "Über der Tür sehen wir Suitbert, der im achten Jahrhundert das Christentum aus Irland zu uns gebracht hat". Und das sei eine Heldentat gewesen, schließlich habe diesseits des Rheins bis dahin die Barbarei geherrscht.

Wer in der Kapelle den Blick schweifen lässt, erkennt an den anderen Wänden Motive des Alltags: Mütter und ihre Kinder, kniende Ritter, Menschen in Lumpen, betend, kniend und feiernd. Cevin Conrad setzt sich vorsichtig in die letzte Bankreihe und deutet auf die Engelsfigur hinter dem Altar. "Erzengel Michael", erklärt er. Die Figur scheint Ritter und Engel gleichzeitig sein zu wollen, trägt Schild und Schwert, Flügel und Stab und erzählt vom Triumph gegen finstere Gestalten. "In anderen evangelischen Kirchen hier bei uns wäre das nicht denkbar", sagt Conrad. In Schloss Burg ist es Realität.

Der Schlossführer streicht schließlich vorsichtig über das alte, dunkle Holz der Sitzbank. 20 Menschen können in dem barocken Chorgestühl aus dem 17. Jahrhundert Platz nehmen, das die Stadtkirche in Lennep den Burgern zur Verfügung stellte - genauso wie den Kronleuchter. "Und das hier war der Platz für den tapfersten Ritter", sagt Conrad, lacht und deutet auf seinen Sitz in der letzten Reihe. "Heute ist es mein Platz."

Von hier aus kann er die Geheimzeichen von Maler Willy Spatz erkennen, die er in den Gemälden hinterließ und die nur entdeckt, wer sich auf die Suche macht. Cevin Conrad hat sie gefunden. Deutlich sichtbar ist von diesem Platz auch die alte Sicherheitstruhe im Gottesdienstraum, die zwar keinen religiösen Hintergrund hat, aber einfach zu schwer ist, um sie kurzerhand an einen anderen Ort zu stellen. Und wenn Conrad in seiner Bank zu singen beginnt, dann ist der Hall spürbar. Wer die Hände auf die Wände legt, der kann die Akustik ertasten.

Von hier aus kann er auch den Lichtfall beobachten, der die Fenster mit den zierlich gestalteten bergischen Rosen durchbricht. "Diese Rosen erinnern an eine Legende um den Grafen von Berg", sagt Conrad. "Ich glaube, es war eine tragische Liebesgeschichte." Davon ahnen die vielen Paare, die sich in der kleinen Kapelle trauen lassen, wahrscheinlich nichts. Fast jedes Wochenende wird hier im Sommer mindestens eine Hochzeit gefeiert.

(resa)
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