Interview Ralf Engel „Viele Kleine werden es nicht schaffen“

Der Geschäftsführer des Handelsverbandes im Bergischen über die Folgen der Corona-Krise für Solingen.

 Auch im Solinger Hofgarten werden am heutigen Montag die meisten Geschäfte wieder öffnen können. Für die großen Ladenlokale in dem Center am Neumarkt gilt das allerdings nicht.

Auch im Solinger Hofgarten werden am heutigen Montag die meisten Geschäfte wieder öffnen können. Für die großen Ladenlokale in dem Center am Neumarkt gilt das allerdings nicht.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Herr Engel, als Bund und Länder in der vergangenen Woche beschlossen haben, dass kleinere Geschäfte auch in Solingen ab diesem Montag wieder öffnen dürfen, haben Sie dies zunächst als nicht ausreichend kritisiert. Hat sich Ihre Skepsis inzwischen etwas gelegt?

Engel Zunächst einmal ist es natürlich ein Fortschritt, dass nach den Wochen des fast vollständigen Lockdowns zumindest kleinere Fachgeschäfte, Einrichtungshäuser und bestimmte Fachmärkte wieder aufmachen können. Aber ich bleibe dabei: Das ist lediglich ein Anfang, der der Solinger City, aber auch den anderen Zentren in der Stadt nur bedingt weiterhilft.

Was meinen Sie damit genau?

Engel Sehen Sie, eine Innenstadt ist ja immer als Ganzes zu betrachten. Das heißt, dass eine City, auch in Solingen, nur in einem Zusammenspiel funktioniert. Es gibt einige große Geschäfte, die, wenn man so will, als Anker funktionieren. Sie ziehen die Kunden in die Innenstadt, die dann auch die kleineren Läden aufsuchen. Doch genau dieser Mechanismus bleibt nun mit der Begrenzung der Öffnung auf Geschäfte unter 800 Quadratmetern weiter außer Kraft gesetzt.

 Ralf Engel vom Handelsverband NRW in der Region.

Ralf Engel vom Handelsverband NRW in der Region.

Foto: Martin Oberpriller

Das bedeutet, Sie versprechen sich von der neuen Regelung keine Erholung für den Handel?

Engel Selbstverständlich ist es ein Fortschritt, dass nun zumindest flächenmäßig kleinere Geschäfte wieder öffnen dürfen. Aber es wird nicht so sein, dass die Solinger Innenstadt durch diese Maßnahme schnell wieder so belebt sein wird wie vor der Corona-Krise. Zumal ebenfalls nicht einzusehen ist, nach welchen Kriterien Unterscheidungen zwischen den einzelnen Branchen getroffen werden.

Noch einmal zurück zu der Quadratmeter-Grenze. Wäre es denn denkbar, dass größere Geschäfte einen Teil ihrer Fläche trennen, um doch öffnen zu können?

Engel Das ist nach der aktuellen Verordnungslage ausgeschlossen. Die Verkaufsfläche ist in Mietverträgen oder anderen Dokumenten ja genau definiert. Und genau diese Zahlen dürften die Grundlage über die jeweilige Erlaubnis sein, ein Geschäft aufzumachen. Eine Holzwand, die einen Teil der Fläche einfach abtrennt, wird da sicher nicht ausreichen.

Gerecht ist das nicht.

Engel Zumal noch andere Punkte hinzukommen, die jetzt ebenfalls bedacht werden müssen. Wir müssen abwarten, wie sich die Öffnung der Geschäfte unter den ja nach wie vor bestehenden Einschränkungen organisieren lässt. Denn eines ist ja klar: Die Gesundheit sowohl der Kunden, als auch der Angestellten hat oberste Priorität. Es wird also darauf ankommen, die notwendigen Abstands- und Sicherheitsvorkehrungen so zu gestalten, dass Infektionen mit dem Coronavirus möglichst ausgeschlossen sind.

Könnte man dabei von den Erfahrungen profitieren, die in den zurückliegenden Wochen etwa in den Lebensmittelgeschäften gemacht wurden? Die hatten ja schließlich die ganze Zeit geöffnet.

Engel Das wird sicherlich wichtig sein. Wobei ich durchaus optimistisch bin, dass uns dies gelingen wird. Ich plädiere dafür, die Kreativität der einzelnen Händler nicht zu unterschätzen. Es wird sicherlich Möglichkeiten geben, den Verkauf in den Ladenlokalen so zu gestalten, dass die Abstandsregelungen gewahrt bleiben. Wie das genau geregelt wird, hängt vom Einzelfall ab. Es ist sicher notwendig, immer nur eine bestimmte Anzahl von Kunden in ein Geschäft herein zu lassen. Ein solches Vorgehen hat sich ja bereits in den Supermärkten als gangbar erwiesen.

Allerdings könnte es dann dazu kommen, dass das Problem lediglich vor die Ladentüren verlagert wird. Wie sollen zum Beispiel im Hofgarten die Abstandregelungen eingehalten werden, wenn nun wieder mehr Geschäfte offen haben und das Center dementsprechend wieder voller ist?

Engel Auch da muss sich zeigen, wie die Lage nach der Öffnung der Geschäfte tatsächlich ist. Schließlich verfügt der Hofgarten über Sicherheitspersonal, das bei der Beantwortung solcher Fragen helfen wird. Prinzipiell ist es aber wichtig, dass nach den Wochen des Lockdowns wieder mehr Leben in die Solinger Innenstadt kommt.

Welche langfristigen Folgen befürchten Sie denn für den Handel im Zuge der Corona-Krise?

Engel Wir dürfen uns nichts vormachen. Die augenblickliche Situation ist bedrohlich. Und es wird gewiss so sein, dass vor allem viele der kleineren Händler es nicht schaffen werden. Wir vom Handelsverband bieten selbstverständlich Beratungen an, um dort zu helfen, wo es geht. Darüber hinaus gibt es einen regelmäßig tagenden Krisenstab, der von der Wirtschaftsförderung ins Leben gerufen wurde. Da sitzen alle Beteiligten an einem Tisch. Allen ist bewusst: Solingen braucht eine funktionierende Einzelhandelslandschaft.

Die zuletzt aber eher wie ausgestorben wirkte. Ist das für Sie ein warnender Blick in die Zukunft? Immerhin hat der Einzelhandel ja auch jenseits von Corona so seine Probleme.

Engel Das kann sicher niemand abstreiten. Meine Hoffnung ist aber, dass nun alle einmal gesehen haben, wie es ist, wenn keine Menschen mehr in der Innenstadt sind. Wie es ist, wenn die Geschäfte geschlossen sind. Da geht ein großes Stück Lebensqualität verloren – was wiederum auf keinen Fall ein Dauerzustand werden darf. Die augenblickliche Krise zeigt uns demzufolge, was wir alle verlieren würden, wenn sich der Handel großteils ins Internet verlagern würde. Das bedeutet nicht, dass Online-Handel nicht stattfinden soll. Gleichwohl kommt es darauf an, stationären wie Online-Handel im Blick zu halten. Um noch einmal auf Ihre Frage zurückzukommen: Nein, die derzeitige Situation ist für mich kein Blick in die Zukunft. Allerdings muss allen Beteiligten bewusst sein, dass weiterhin Veränderungen erforderlich sind – auch unabhängig von Corona.

Womit wir bei der ohnehin schon seit längerer Zeit geführten Diskussion sind, wonach die Solinger City in den kommenden Jahren vor einem großen Wandel steht.

Engel Das sollte man aber nicht als Bedrohung sehen. Das Gute ist, dass die meisten Akteure in Solingen diese Zeichen der Zeit erkannt haben. Die Stadt bemüht sich, die Grundlagen für die Innenstadt zu verändern und somit positive Entwicklungen zu ermöglichen. Ich bin sehr froh, dass die Verantwortlichen in Solingen früher als andere verstanden haben, dass Veränderungen geboten sind. Denken Sie nur an das Projekt „City 2030“, mit dem neue Konzepte einhergehen wie etwa die Umgestaltung der Unteren Hauptstraße, um nur einmal einen Aspekt zu nennen. Darum bin ich überzeugt, dass wir in Solingen – unabhängig von Corona – auf einem guten Weg sind. Wir müssen ihn nur weiter beschreiten.

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