Solingen Viel mehr als Kochen und Säuglingspflege

Solingen · Edmund Neuwald hat die Chronik des Mildred-Scheel-Berufskollegs erstellt. Anlass ist das 100-jährige Bestehen.

Es ist nicht das ureigenste Arbeitsfeld von Edmund Neuwald, eine Chronik für das Mildred-Scheel-Berufskolleg in Solingen zu schreiben, denn der 67-jährige war am Berufskolleg kein Geschichtslehrer, sondern unterrichtete dort Mathematik und Physik. Und doch, im Ruhestand erstellte er die Chronik des Berufskollegs, das heute am geografischen Mittelpunkt der Klingenstadt zu finden ist. Jetzt wurde die Chronik im Berufskolleg vor geladenen Gästen, insbesondere ehemaligen Lehrkräften, vorgestellt. Schulleiterin Gabriele Stobbe-Dibbert freute sich denn auch über den Einsatz des rüstigen Ehemaligen, der viel Freizeit in die Chronik investiert hatte.

Herausgekommen ist nicht nur eine Chronik, sondern ein Büchlein, bei dem schon der Titel zum Nachdenken anregen soll: "Berufsbildung nur für Frauen?" Genau darauf geht die Geschichte des Berufskollegs zurück, es war speziell als "Hauswirtschaftsschule" gedacht, für Mädchen. Denn vor 100 Jahren stand das Bild der Hausfrau und Mutter im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Denkens.

Eigentlich, so erzählte Edmund Neuwald, wollte er gar nicht so tief in das ganze Thema eindringen, als er 2012 mit seinen Recherchen im Stadtarchiv begann. Er suchte, fand, "und plötzlich hatte ich so 50 bis 60 Seiten Material im Computer beisammen, und Fragen für viele weitere Seiten." So wurde dann, ohne es wirklich zu wollen, eine richtige Chronik daraus. Um 1900 begann die Geschichte der Hauswirtschaftsschule in Solingen, die 25 Jahre später zur Berufsschule wurde. Alle Mädchen, egal welchen Beruf sie erlernten, mussten die Hauswirtschaftsschule besuchen, kochen lernen, Säuglingspflege, und alle weiteren Aufgaben der guten Hausfrau jener Tage.

Die damalige Schulleiterin widersetzte sich standhaft allen Versuchen, die Pflichtstundenzahl Hauswirtschaft zu reduzieren, auch als von den Nationalsozialisten verlangt wurde, eine Stunde Hauswirtschaft zu opfern — zugunsten nationalpolitischen Unterrichts — trotze sie diesem Ansinnen.

In jedem Stadtteil von Solingen, der vorher eine selbstständige Stadt war, gab es Berufsschulen, was die Arbeit für Edmund Neuwald nur noch vergrößerte, musste er doch nun auch darüber noch Informationen sammeln. Doch dem Ex-Lehrer machte es offenbar Spaß, denn als er den Zuhörern bei der Präsentation in dieser Woche die Geschichte des Berufskollegs schilderte, kam er richtig in Fahrt und sprach mit großer Begeisterung für das Thema.

Es dauerte lange, bis sich das Berufskolleg zu dem wandelte, was es heute ist. 1963 wurde die Berufsschule an der Beethovenstraße feierlich eröffnet. Es war ein für jene Zeit hochmoderner Bau am geografischen Mittelpunkt der neuen Großstadt Solingen. Doch es sollte noch lange dauern, bis sich auch das Berufsschulbild weg von der Hauswirtschaftsschule zu einer modernen Berufsschule wandelte, wie es das Mildred-Scheel-Berufskolleg inzwischen ist. Benannt ist es nach der verstorbenen Ehefrau des früheren Bundespräsidenten Walter Scheel, der aus Solingen stammt.

(RP)
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