Serie Hinter Solinger Fassaden (6) Videokonferenz in alter Gefängniszelle

Solingen · Seit Anfang 2009 hat die IT-Firma Codecentric ihre Büroräume im ehemaligen Ohligser Amtsgericht. Inhaber Jörg Föste hat dem Gebäude durch den Umbau viel von seinem alten Charme wiedergegeben.

 1895 wurde das Amtsgericht in Ohligs errichtet, 2006 übernahm es der Unternehmer Jörg Föste, der das Gebäude umfangreich sanierte.

1895 wurde das Amtsgericht in Ohligs errichtet, 2006 übernahm es der Unternehmer Jörg Föste, der das Gebäude umfangreich sanierte.

Foto: Stephan Köhlen

Die alte massive Holztür sieht aus, als sei ihr Platz schon immer im Eingang zum ehemaligen Ohligser Amtsgericht gewesen. Dabei hat die Tür einen vermutlich weiten Weg hinter sich, bis sie schließlich in Solingen, in dem 1895 errichteten Amtsgericht, gelandet ist.

 Christian Kirsch von der Firma Codecentric kann dem restaurierten Gebäude an der Merscheider Straße viel abgewinnen.

Christian Kirsch von der Firma Codecentric kann dem restaurierten Gebäude an der Merscheider Straße viel abgewinnen.

Foto: Stephan Köhlen

Bis zum Verkauf an den Solinger Unternehmer Jörg Föste im Jahr 2006 lagen das ehemalige Ohligser Amtsgericht sowie das angrenzende Rathaus in städtischer Hand. Zuletzt hing eine große Stahltür in den Angeln zum Eingang des Gerichtsgebäudes. "Jörg Föste hat in ganz Deutschland nach einer passenden Tür gesucht und schließlich einen Sammler mit rund 300 Türen im Lager gefunden. Von ihm stammt die jetzige Eingangstür, die zur Gründerzeit passt", berichtet Christian Kirsch von der Firma Codecentric.

Anfang 2009 hat die IT-Firma ihre Büroräume vom Gründer- und Technologiezentrum in das altehrwürdige Gebäude an der Merscheider Straße verlegt, da der alte Standort zu klein geworden war. Die Entscheidung für das ehemalige Amtsgericht fiel schnell: "Der ganze Stil des Gebäudes ist toll. Außerdem ist es für ein Unternehmen eher ungewöhnlich, in so einem Haus untergebracht zu sein", sagt Kirsch. Auch bei Kundenbesuchen sei oft der erste Aufhänger in einem Gespräch, wie schön das Gebäude sei.

Doch auch bis dahin war es ein langer Weg. Von den Umbauarbeiten durch den Inhaber Jörg Föste haben die Mitarbeiter vor allem in der Endphase viel mitbekommen: "Jörg Föste hat viel Herzblut, Energie und Arbeit hier reingesteckt", so Kirsch. Von dem Glanz vergangener Tage war im Amtsgericht nicht mehr viel übrig geblieben: "Vermutlich aus praktischen Gründen hatte die Stadt die hohen Decken abgehangen und die originalen Fußböden mit Spanplatten oder PVC überdeckt", sagt Kirsch. Durch die Sanierung sollte vieles wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden.

So konnte der alte Mosaikboden im Eingangsbereich wieder freigelegt werden, ebenso wie die alten Dielen. "Das sind drei Zentimeter dicke Holzplatten, die wären heute wahrscheinlich viel zu teuer", so Kirsch. Im ehemaligen Gerichtssaal wurden die dunkelbraunen Deckenbalken wieder freigelegt. Zuletzt führten drei Türen in den Gerichtssaal, heute hat er, wie zu Anfangszeiten, nur noch einen Eingang. Die verzierte Holztür ist eine original Gerichtstür aus Wittenberg aus dem Jahr 1840. Kronleuchter hängen von der Decke des Zimmers, der heute als Konferenzraum dient. "Die blaue Wandfarbe wurde bei der Renovierung als Originalfarbe entdeckt, also wurde der ganze Raum so gestrichen", sagt Kirsch. Auch der Orangeton an den Wänden in Treppenhaus und Flur ist dem originalen Farbton der Wände entnommen.

Viel Arbeit steckt außerdem im Dachgeschoss. "Hier war früher nur Dachboden, die Räume mussten komplett ausgebaut werden", so Kirsch. Heute sind hier flexible Büroplätze für die Mitarbeiter untergebracht. Eine weitere Besonderheit liegt im hinteren Teil des Gebäudes: die ehemaligen Gefängniszellen für Häftlinge. In einer Zelle im 1. Stock, hinter der einzig original erhaltenen Zellentür mit Guckloch und schwerem Eisenriegel, liegt der Videokonferenzraum. "Von hier aus telefonieren wir täglich mit unseren Mitarbeitern in Serbien und Bosnien", sagt Kirsch.

Doch obwohl das Gebäude für sich spricht, denkt Codecentric über einen Umzug nach: "Wir wollen unsere Mitarbeiter aus Solingen und Düsseldorf unter einem Dach vereinen", so Kirsch. Dafür sei das Gebäude an der Merscheider Straße aber zu klein.

Derzeit werde deshalb geprüft, ob das alte Ohligser Schwimmbad als neuer Standort infrage käme. "Doch unser Mietvertrag gilt bis Ende 2015, so lange bleiben wir hier", sagt Kirsch.

(RP)
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