Solingen Urteil in eigener Sache

Solingen · Drei Jahre soll ein Solinger ins Gefängnis, der an der Felder Straße eine riesige Marihuana-Plantage betrieb. Für die Zuhörer im Gericht stand die Schuld des Mannes und seiner freigesprochenen Frau aber schon vorher fest.

Wer oft bei Gericht ist, der ruft sich nicht immer die tiefere Bedeutung von Prozessen in Erinnerung. Auch Rechtstaatlichkeit kann zur Routine werden — und so hätte man den Zuschauern gestern im Amtsgericht fast dankbar sein müssen. Denn als das Verfahren gegen einen 41-jährigen Solinger sowie seine zwei Jahre jüngere Ehefrau wegen Drogenhandels schließlich geendet hatte, standen gleich zwei Dinge fest: Die Sprüche (der Mann bekam drei Jahre, die Gattin wurde freigesprochen) sowie die beruhigende Einsicht, dass solche Urteile wohl im Namen des Volkes, aber nicht von ihm selbst verhängt werden.

Nun gibt es an dem Verbrechen nichts zu beschönigen. In einer Halle an der Felder Straße hatte der Mann bis zur Entdeckung bei einer Razzia im Januar Marihuana angebaut, das beim Verkauf mehrere 100 000 Euro gebracht hätte. "Die größte Dummheit meines Lebens" nannte der bisher unbescholtene Angeklagte gestern den Aufbau der Drogenplantage, mit der er sich nach Ansicht des Gerichts aus finanziellen Schwierigkeiten hatte befreien wollen. Und die ihn nun, sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, hinter Gitter bringen wird. So bitter dieser Gang auch ausfallen dürfte — seine Aufderhöher Nachbarschaft dürfte der Delinquent im Gefängnis kaum vermissen.

Die war nämlich in stattlicher Zahl zum Prozess erschienen und hielt es nicht für nötig, den Urteilsspruch sowie die sich anschließende Begründung abzuwarten. Die Schuld beider Eheleute, die ja vor Gericht erst mal festgestellt werden musste, war für die Zuhörer von vornherein klar. Und auch über das Strafmaß herrschte Einvernehmen. "So etwas kann gar nicht hart genug bestraft werden", raunte eine Dame mit sichtlichem Vergnügen an dem Prozess, der für sie vor allem eines zu sein schien: eine Schau. Und eine frühere Freundin der angeklagten Ehefrau wiederum zeigte sich da ganz der gleichen Meinung.

Nun hätte es wenigstens Letztere besser wissen müssen, arbeitet sie nach eigenen Angaben doch selbst als Juristin. Aber schließlich blieb es an Anwalt Andreas Gurok, der den Mann vertrat, im Plädoyer die Dinge zurecht zu rücken. "Einen solchen Zynismus habe ich noch nicht erlebt", rügte der Verteidiger die durch ihr Flüstern ständig störenden Zuhörer. Gleichwohl, seine Worte dürften auf weniger fruchtbaren Boden getroffen sein, als jenen, auf dem bis zur Aushebung der Plantage über 2000 Marihuana-Pflanzen sowie -Setzlinge gediehen waren. "Schön, dass wir hier waren", freute sich eine Zuhörerin beim Herausgehen. Und das war dann irgendwie beinahe wie ein Urteil in eigener Sache.

(RP)
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