Solingen Traditionsmetzger im ständigen Wandel

Solingen · In vierter Generation führt Rudolf Jacobs die Gräfrather Metzgerei. Die feiert ab Samstag ihr 120-jähriges Bestehen.

 Rudolf Jacobs führt die Gräfrather Metzgerei, die ab dem kommenden Wochenende ihren runden Gebursttag feiert.

Rudolf Jacobs führt die Gräfrather Metzgerei, die ab dem kommenden Wochenende ihren runden Gebursttag feiert.

Foto: Lena Hogekamp

Wer das Ladenlokal im ersten Geschoss des verschieferten Hauses In der Freiheit betreten will, muss derzeit unter einem Gerüst hindurch. "Alle zehn Jahre bekommt es einen neuen Anstrich", sagt Metzgermeister Rudolf Jacobs. Das nächste größere Projekt wird die Schaffung eines neuen Kühlhauses sein. Und bereits im vergangenen Jahr erwarb er zwei neuen Maschinen für die Metzgerei. "Stillstand ist Rückstand", lautet die Losung des 36-Jährigen - und sie will immer wieder mit Leben gefüllt werden. Schließlich sind die Zeiten für Metzgereien nicht gerade einfacher geworden. Von einst über 100 Betrieben in der Klingenstadt seien gerade einmal zehn übriggeblieben, erklärt Jacobs. Und die Prognose geht bundesweit für die nächsten zehn Jahre von einer Halbierung aus. Die Konkurrenz durch Discounter, ein verändertes Kundenverhalten und vielfach das Fehlen von Nachfolgern machen den Fleischfachgeschäften zu schaffen.

Der Gräfrather Traditionsbetrieb jedoch hält sich seit nunmehr 120 Jahren - einer Zeit, in der er sich immer wieder auch ein bisschen neu erfinden musste. "Wir stoßen natürlich in eine Nische, weil die Kollegen weniger werden", erklärt Rudolf Jacobs, der die gleichnamige Metzgerei seit 2006 führt - in vierter Generation. Knapp 30 Mitarbeiter beschäftigt Jacobs, der zugleich Koch, "Fleischsommelier" und Betriebswirt ist. Die Verkaufswagen steuern mittlerweile 13 Märkte an - neben denen in Solingen-Mitte, Ohligs und Wald ist die Metzgerei auch in Haan, Erkrath, Hochdahl und Mettmann vertreten.

Begonnen hatte alles wie so oft ein paar Nummern kleiner: Rudolf Jacobs` Ur-Opa Wilhelm-Robert begründete die Familientradition im Jahr 1898. Stammhaus ist seither das inzwischen über 300 Jahre alte Gebäude im historischen Kern von Gräfrath. Sein Vater Robert brachte das Geschäft auf die Wochenmärkte. Auch der Mittagstisch hat seinen Ursprung bereits in den 1950er Jahren. Mittlerweile jedoch geht das kulinarische Angebot längst über typische Metzgereiwaren hinaus: Als Caterer versorgt Jacobs Partygesellschaften aller Art auch mit Fingerfood, vegetarischen Gaumenfreuden und Fischgerichten. Seit mehreren Jahren beschäftigt er mit Knut Petzold auch einen eigenen Koch.

"Die Kunden sind kritischer geworden", sagt Jacobs. Dass die Besucher der Marktstände stetig älter werden, kann er nicht bestätigen: "Spätestens, wenn die, die früher als Kinder auf den Markt gingen, eine Familie gegründet haben, kommen sie mit den eigenen Kindern wieder." Und natürlich seien die klassischen Produkte wie Schinken, Fleischwurst oder Frikadellen immer noch beliebt.

Das Jubiläum feiert Jacobs in mehreren Etappen: Los geht es am Samstag auf dem Neumarkt: Von 9 bis 12 Uhr erwartet die Kunden beim Wochenmarkt ein "kleiner Jubiläumstrubel" - mit neuem Verkaufswagen und Schnurrad, an dem die Gäste im Handumdrehen Prozente auf die Produkte des Hauses ergattern können. Eine Woche später geht der Jubiläumsreigen in Ohligs weiter.

Ob die Metzgerei auch in fünfter Generation in Familienhand bleibt, lässt sich noch nicht seriös beantworten: Jacobs` Söhne Paul und Max sind schließlich erst sieben und vier Jahre alt: "Ich würde sie niemals dazu drängen, in den gleichen Beruf zu gehen."

(RP)
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