Analyse Tim Kurzbach legt die Messlatte hoch

Meinung | Solingen · Vom ersten Arbeitstag an hat der neue Oberbürgermeister erfahren, dass ihm keine Zeit gegeben wird, sich an seine neuen Aufgaben zu gewöhnen. Der 37-Jährige selbst gibt sie sich auch nicht und startet voller Optimismus mit einigen Visionen durch.

Es ist immer noch ungewohnt, den Namen Tim Kurzbach mit dem Zusatz Oberbürgermeister in einem Zeitungsartikel zu veröffentlichen. Dabei war die Zeit seit seiner Nominierung im November 2013 als Kandidat der SPD lang genug, um sich darauf einzustellen. Ein anderes Bild hat sich in den vielen Jahren zuvor zu sehr etabliert: Der 37-Jährige war der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, der Mitgestalter des Zöppkesmarktes, der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Köln oder der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten in Solingen. In letzterer Funktion ist er als überzeugter Politiker oft genug in Diskussionen mit seinem Vorgänger Norbert Feith gegangen.

Seit knapp zwei Wochen ist Tim Kurzbach selbst der Stadtchef, der seit seinem ersten Arbeitstag erfahren muss, dass ihm keine Zeit gegeben wird, sich an das Oberbürgermeister sein zu gewöhnen. Ein mustergültiges Beispiel war die erste Ratssitzung, in der er sogleich harsche Kritik aus Reihen der Bürger Fraktion Solingen für seine Beschlussvorlage der Ausschreibung von zwei Dezernenten-Stellen einstecken musste. Kurzbach nahm die Worte von Jan-Michael Lange sowie weiteren Gegenwind von Dr. Jörg Becker (Die Linken), Gabriele Gärtner (Solingen Aktiv) oder Martin Bender (BFS) zumindest nach außen, nahezu ohne Regung zur Kenntnis. Aus langjähriger Ratserfahrung wusste Tim Kurzbach, was ihn in diesem Gremium als OB erwarten würde. Als Fraktionschef hatte er schließlich vereinzelt ähnlich im Fokus gestanden. Daran, einzelne Ratsmitglieder auf das Überschreiten ihrer Redezeit hinzuweisen, wird sich Kurzbach hingegen noch gewöhnen müssen.

Tim Kurzbach hat einige Visionen, die er in den kommenden fünf Jahren umsetzen oder zumindest anstoßen will. "Ein geht nicht, gibt's für mich nicht", lautete die Kernaussage seiner Antrittsrede, mit der er die Messlatte sehr hochgelegt hat. Es bleibt abzuwarten, wie er einige seiner Vorstellungen und Ideen im starren System der Verwaltung umsetzen kann. "Wir werden die Türen des Rathauses weit öffnen", verspricht der Ohligser und nennt als Beispiel die Einführung einer Leitlinie für Bürgerbeteiligungen, die von einer eigenen Stabsstelle betreut werden soll. Die erste Reaktion aus Verwaltungskreisen deutet darauf hin, dass nicht nur an dieser Stelle dicke Bretter gebohrt werden müssen.

Tim Kurzbach wird sich davon nicht abhalten lassen. Wie in seinen bisherigen Jobs und ehrenamtlichen Tätigkeiten wird er merken und anerkennen müssen, dass sich nicht jede Idee als das Nonplusultra entpuppen wird. In seinen bisherigen Funktionen hat er gerne in Teams gearbeitet und sich von guten Argumenten auch mal vom Gegenteil überzeugen lassen. Im Rathaus besteht kein Grund, daran etwas zu ändern.

(RP)
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