Gloria Göllmann Theater als Kitt zwischen den Kulturen

Solingen · Im Rahmen des Musicalprojekts "We perform !" stehen Flüchtlinge und Solinger Jugendliche gemeinsam auf der Bühne. Workshop-Leiterin Gloria Göllmann über den schöpferischen Prozess, neue Freundschaften und besondere Eindrücke.

 Vor einem Jahr hat Jürgen Beu (hinten / r.) das Projekt "We Perform !" ins Leben gerufen. Seitdem haben sich die Teilnehmer mit Auszügen des Musicalprojekts regelmäßig bei größeren Veranstaltungen präsentiert - so wie hier auf dem Dürpelfest.

Vor einem Jahr hat Jürgen Beu (hinten / r.) das Projekt "We Perform !" ins Leben gerufen. Seitdem haben sich die Teilnehmer mit Auszügen des Musicalprojekts regelmäßig bei größeren Veranstaltungen präsentiert - so wie hier auf dem Dürpelfest.

Foto: Stephan Köhlen

Was kann man als Workshop-Leiterin in einem Musical-Projekt von den Akteuren mit einem anderen kulturellen Hintergrund lernen ?

Göllmann Sie bringen auf jeden Fall ganz viel mit. Wir haben Menschen mit großen Talenten und Bildung kennengelernt, die etwas bewegen wollen - darunter 15- und 16-Jährige, aber auch über 20-Jährige, die eine Ausbildung oder ein Studium anstreben. Sie selbst haben die Geschichten für unsere Inszenierung erzählt, in denen es um die Zerrissenheit geht, Vertraute zurückzulassen, auf der Flucht schwere Zeiten zu überstehen. Es gibt eine dramatische Boots- und eine Grenzszene in unserem Musical. Und es geht um die Aufnahme in einem neuen Land.

Vor rund zwölf Monaten ging es los. Wie hat sich die Arbeit seitdem entwickelt ?

Göllmann Als Jürgen Beu in der Cobra das Projekt vor einem Jahr ins Leben rief, haben wir mehrere Workshops gebildet in den Bereichen Tanz, Theater und Musik. Alle fanden an unterschiedlichen Tagen statt. Später haben wir die verschiedenen Aspekte in gemeinsamen Proben im Walder Rathaus zusammengeführt. Weitere Kooperations-Workshops und Proben fanden in der Cobra und beim Merscheider Turnverein statt.

Welche Aufgaben haben Sie dabei übernommen ?

Göllmann Ich leite gemeinsam mit Tom Daun den Workshop Musik, bin Gesangscoach und Assistentin von Regisseur Volker Eigemann. Zudem war ich auch für Kompositionen zuständig. Die Texte habe ich gemeinsam mit den Jugendlichen aus unterschiedlichen Ländern übersetzt.

Wie funktionierte denn die Verständigung ?

Göllmann Für schwierige inhaltliche Themen hatten wir anfangs Dolmetscher und haben uns auf Englisch und Französisch verständigt. Aber auf der Bühne war die Kommunikation ohnehin gar nicht so schwer.

Sind auch persönliche Kontakte entstanden ?

Göllmann Absolut. Es haben sich Freundschaften gebildet zwischen Mitgliedern vom Chor "Young Voices", den wir für das Projekt angesprochen haben, und beteiligten Flüchtlingen. Natürlich sind im Laufe der Zeit einige Akteure dazugekommen. Ein junger Mann aus Albanien musste uns hingegen im November verlassen, weil die Geflüchteten von dort bekanntlich nicht als solche anerkannt sind. Das war sehr schwer für ihn, weil er als Roma eigentlich immer unterwegs und seit dem Alter von 18 Monaten nicht mehr in seinem Geburtsland gewesen war. Wir pflegen aber weiterhin Kontakt und versuchen, ihn zu unterstützen.

Inwieweit kann das Projekt auch denen eine Hilfe sein, die bleiben ?

Göllmann Zunächst hilft die Körpersprache natürlich auch in Vorstellungsgesprächen und anderen Situationen. Zudem versuchen wir, den jungen Menschen Perspektiven aufzuzeigen und werden dabei von Ehrenamtlern, vielen Kulturschaffenden und auch der Stadt unterstützt.

Wie groß ist Ihre Gruppe aktuell eigentlich ?

Göllmann Wir haben gut 20 Schauspieler und Sänger, 16 Musiker und natürlich ein großes Team dahinter. Die Hälfte der Gruppe besteht aus Flüchtlingen.

Morgen Abend um 19.30 Uhr feiert Ihr Stück "Ich brauch' nicht viel" offiziell Premiere. Es gab aber auch schon eine Pre-Premiere in der Cobra. Inwieweit unterscheiden sich beide Aufführungen inhaltlich ?

Göllmann Wir haben noch Ergänzungen eingebaut. Hinzugekommen sind Fotos und Videos sowie eine Kung-Fu-Einlage eines afghanischen Sportlers. Insgesamt möchten wir die Größe der Bühne im Pina-Bausch-Saal nutzen.

Gibt es denn noch Karten?

Göllmann Unsere Vorstellung ist grundsätzlich ausverkauft - bis auf ein kleines Kontingent nicht abgeholter Karten. Es sind aber weitere Auftritte für das Frühjahr geplant. Dafür werden wir die Inszenierung womöglich ein wenig anpassen und die jetzigen Lebensumstände der Jugendlichen stärker thematisieren.

Welche Pläne gibt es über dieses Projekt hinaus ?

Göllmann Anja Stock von der Cobra ist bereits wieder im Gespräch mit Sponsoren. Es gibt für uns mehrere Optionen: Denkbar wären zum Beispiel Gastspiele oder ein Austausch zwischen den Workshop- und Projektleitern anderer engagierter Städte. Anstatt der einheimischen Jugendlichen könnten wir künftig auch Senioren in das Projekt einbeziehen. Und selbstverständlich rufen wir auch weitere Zugezogene auf, zu uns zu stoßen - genau wie bisherige Teilnehmer eingeladen sind, dabei zu bleiben.

ALEXANDER RIEDEL FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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