Technischen Betriebe Solingen führen Müll-Analyse durch "Wir brauchen sehr einfache Botschaften"
Solingen · 43.500 Tonnen „Restmüll“ haben die Technischen Betriebe 2019 in Solingen eingesammelt. Ein Zehntel davon gehörte eigentlich in die gelben Sammelbehälter. Doch auch bei den 3600 Tonnen Leichtverpackungen gab es Lernbedarf.
Es gibt Schöneres, als im Abfall anderer Leute herumzuwühlen. Aber es hatte seinen tieferen Sinn, dass 13 Männer und Frauen am Dienstagmorgen 15 Restmüll- und 15 Wertstofftonnen filzten: Der „Club für nachhaltige Verpackungslösungen“ ließ untersuchen, wie es die Solinger mit den Wertstoffen halten.
Die Technischen Betriebe hatten dafür ihr Gelände an der Tersteegenstraße zur Verfügung gestellt und gut gefüllte Tonnen verschiedener Größen aus dem Stadtgebiet herangeschafft. „Wir sind froh, dass sie die Abfallanalyse bei uns durchführen“, kommentierte Olaf Schmidt, Teilbetriebsleiter Abfallwirtschaft bei den TBS. Die Technischen Betriebe Solingen engagieren sich selbst in dem vor einem halben Jahr gegründeten Club. Er wird von der gemeinnützigen Wuppertaler GmbH CSCP geleitet. Das Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production besteht seit 15 Jahren.
Der Club für nachhaltige Verpackungslösungen rekrutiert seine Mitglieder aus allen betroffenen Kreisen – von Designern über Handel und Industrie bis zu Betreibern von Recyclinghöfen. Die unbekannte Größe ist das Verhalten der Verbraucher, speziell in der Stadt, wo weniger genau sortiert werde als auf dem Land. „Eigentlich ist der Verbraucher das schwächste Glied in der Recycling-Kette“, sagt Stefan Schaller, Senior Consultant bei CSCP.
Was ist die Rolle des Konsumenten? Der weiß oft nicht wohin mit den „Wertstoffen“. Weiß nicht, dass eine Verpackung nicht selten aus mehreren Materialien besteht, die auseinander gepflückt werden müssen, wenn sie im Recyclinghof nicht durch das Raster fallen sollen. „Wir brauchen sehr einfache Botschaften“, bringt Stefan Schaller es auf den Punkt. Botschaften wie: „Wenn die Verpackung einen Deckel hat, mache ihn komplett ab.“
Worauf wurde bei der Solinger Stichprobe besonders geachtet? Das Analyseteam erfasste speziell Molkereibecher, Lebensmittelschalen, Verpackungen von Körperpflege- sowie Reinigungsmitteln und Kombinationen aus Papier, Pappe und Kunststoff. Außerdem wurden Fehlwürfe erfasst.
Wann werden Ergebnisse der Analyse vorliegen? Die Untersuchung soll im September abgeschlossen sein.
Was wurde augenfällig? „Wir haben gesehen, was wir befürchtet haben – dass sehr viele Wertstoffe, beispielsweise aus Aluminium, im Restmüll landen“, berichtete Dagmar Glatz aus Karlsruhe. Sie trägt bei der Drogeriekette dm Verantwortung für nachhaltige Verpackungen. dm würde nach ihren Worten gerne mehr Plastikbehälter aus recyceltem Material in seinen Regalen sehen. „Es gibt aber nicht genug gutes Rezyklat am Markt.“
Wer sagt es dem Verbraucher? „Ich bin absolut schockiert, dass auf 99 Prozent der Produkte kein Hinweis steht, was die Leute damit machen sollen“, ärgerte sich Martina Merz aus München, die als Verpackungsdesignerin und Beraterin arbeitet. „Agenturen und Hersteller achten nicht darauf.“ So habe sie in den Tonnen auch keine Flasche ohne Deckel gefunden – obwohl der meist aus einem anderen Kunststoff ist.
Wäre es nicht besser, ganz auf Verpackung zu verzichten? „Alle haben gelernt: Ein gutes Produkt ist schick eingepackt“, sagt die Designerin. Und bei Lebensmitteln sei es oft nicht möglich, sie unverpackt zu lassen, erklärt Stefan Schaller von CSCP. Zum einen griffen die meisten Käufer lieber zur verpackten Ware, zum anderen gehe es um die Haltbarkeit. „Es darf niemals zu mehr Lebensmittelabfall führen – und die Gefahr ist sehr groß.“
Sagen Recycler, wie viel sie wiederverwerten können? Das gelte als Betriebsgeheimnis, heißt es bei den TBS. Das im Januar 2019 in Kraft getretene Verpackungsgesetz sieht vor, dass die Recycling-Quote für Kunststoff bis 2022 bei 63 Prozent liegt. 2017 soll etwa die Hälfte der Kunststoffverpackungen recycelt worden sein.
Sollten Kunststoff-Verpackungen nicht besser direkt Müllheizkraftwerk landen? „Kunststoff bringt zu viel Heizwert mit“, erläutert Olaf Schmidt von den TBS. Dann sinke der Durchsatz – was nicht erwünscht ist, weil das Team an der Sandstraße ohnehin gut zu tun hat. „Wir haben mehr Nachfrage nach Verbrennungskapazität, als wir verbrennen können.“ Neben dem Solinger Haus- und Gewerbemüll werden Abfälle aus NRW und aus Rheinland-Pfalz angeliefert. Bis 2023 kommen jährlich 3500 Tonnen aus Ludwigshafen, weil dort die MVA umgebaut wird.
Welche Schlüsse ziehen die TBS aus der Analyse? „Ich werde die Auswertung abwarten“, fasst Angelika Franz ihre Erfahrungen zusammen. Sie ist bei den TBS unter anderem für Abfallberatung zuständig und stieß bei der Aktion auf Elektroschrott in einer Tonne. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Informationen fehlen. Man muss klein anfangen – schon bei den Kindern in der Familie.“ Denkbar sei aber auch eine Kampagne.
Was sagt der Abfallkalender der TBS? Der könnte im Punkt „Leichtverpackungen“ gerne noch etwas konkreter sein. Er nennt nur den „Grünen Punkt“ (eines von zehn dualen Systemen) und erläutert nicht, dass Verpackungen aus mehreren Stoffen zerlegt werden müssen.