Solingen Täter ohne Reue

Solingen · Der Mann, der im Mai ein junges Mädchen kidnappte und mehrfach vergewaltigte, muss zwölfeinhalb Jahre in Haft. Aber Sicherungsverwahrung konnte nicht verhängt werden – und darum geht es jetzt in die Revision.

2009: Schwangere entführt und missbraucht - das Urteil
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Der Mann, der im Mai ein junges Mädchen kidnappte und mehrfach vergewaltigte, muss zwölfeinhalb Jahre in Haft. Aber Sicherungsverwahrung konnte nicht verhängt werden — und darum geht es jetzt in die Revision.

Der Mann war aufgestanden, hatte sich ein Taschentuch geben lassen — und wischte sich eine Träne aus dem Auge, ehe er den Blick ein letztes Mal auf den Peiniger seiner Tochter gegenüber auf der Anklagebank richtete. Der hatte gerade eine Haftstrafe von zwölfeinhalb Jahren kassiert, weil er im Mai in Wald ein damals 16-jähriges, schwangeres Mädchen in seine Gewalt gebracht sowie drei endlos lange Tage immer wieder unvorstellbar brutal missbraucht hatte.

Doch bis zuletzt hatte der Täter nicht einmal einen Anflug von Reue gezeigt. Und auch jetzt stierte der 29-jährige Solinger weiter fast regungslos vor sich hin, hob nur manchmal kaum merklich seinen Kopf, um mit zusammengekniffenen Augen die Umgebung zu taxieren. Da wandte sich der Vater des Opfers ab und begann, das eben gefällte Urteil für sich zu verarbeiten. "Die Höhe der Strafe ist okay", erklärte der Lkw-Fahrer gegenüber der Morgenpost. Allerdings, gleichzeitig war er mit dem Richterspruch so unzufrieden, wie wohl fast alle gestern Mittag im Wuppertaler Landgericht. Denn die 4. Große Strafkammer sah aus formellen Gründen davon ab, die zuvor von einem Gutachter ins Spiel gebrachte Sicherungsverwahrung zu verhängen.

Kammer hatte keine Wahl

Nun blieb den Richtern nach einhelliger Meinung gar nichts anderes, als so zu entscheiden (siehe Kasten). "Aber was wir kritisieren, ist die Rechtslage", erklärte später Opferrechtsexperte Thomas Kämmer, der gegenüber unserer Zeitung ankündigte, das Gesetz, das zu dem Urteil führte, "in einer Revision sprengen" zu wollen. Dabei nahm Kämmer, dessen Kanzlei-Kollege Hendrik Prahl das Opfer vor Gericht vertreten hatte, die Wuppertaler Kammer ausdrücklich in Schutz. Mit der Strafhöhe sei man "sehr zufrieden". Allerdings zeige der Spruch "drastisch, dass die Hürden für eine Sicherungsverwahrung von Ersttätern wie in diesem Fall viel zu hoch" seien.

Tatsächlich sahen das die Richter ähnlich, da auch sie davon ausgehen, dass eine Rückfallwahrscheinlichkeit bei dem 29-Jährigen "sehr hoch ist". Denn der Mann empfindet nach Überzeugung der Kammer bis heute eine abnorme Freude, wenn er an die Todesqualen denkt, die er dem völlig wehrlosen und verängstigten Mädchen damals zufügte: "Er hatte auch im Verfahren Spaß an der Erinnerung." Dafür spreche schon die "abstoßende Ausdrucksweise", in der sich der Mann geäußert habe. Der Fall wird also noch einmal aufgerollt werden — zumal die Opferanwälte die Politik unter Druck setzen wollen, die "skandalöse Gesetzeslage" (Kämmer) zu ändern. Inwieweit das junge Mädchen aber jemals wieder ein normales Leben führen kann, weiß niemand zu sagen. Und umso wichtiger erscheint es da der Familie, dass der Peiniger doch noch Sicherungsverwahrung bekommt — schon weil nur so ausgeschlossen werden kann, dass irgendein anderes Mädchen irgendwann das gleiche Martyrium durchleiden muss, wie die eigene Tochter.

(RP)
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