Prozess gegen Mann aus Solingen Stiefsohn misshandelt? 40-Jähriger vor Gericht

Solingen/Wuppertal · Am ersten Prozesstag vor einigen Wochen hatte das Gericht einen sich selbst bemitleidenden Angeklagten erlebt. Der 40-jährige Solinger soll im Jahr 2017 den Sohn seiner Lebensgefährtin schwer misshandelt haben.

Am dritten Verhandlungstag sagte nun eine ehemalige Lehrerin des Kindes aus.

Am dritten Verhandlungstag sagte nun eine ehemalige Lehrerin des Kindes aus.

Foto: David-Wolfgang Ebener

Mit dem Kopf in das Toilettenbecken gedrückt und die Spülung betätigt, über Stunden hinweg am Geländer gefesselt und dazu genötigt, die eigenen Exkremente zu essen: Sollten sich die Anklagevorwürfe am Ende der Beweisaufnahme bestätigen, hatte der damals Siebenjährige ein Martyrium zu erleiden. Der Angeklagte war bereits am ersten Prozesstag in Tränen ausgebrochen, als er dem Gericht eine Situation schilderte, inmitten derer der Stiefsohn zu ihm gesagt haben soll, dass er nicht sein Papa sei und dass er ihm gar nichts zu sagen habe. Dann habe er den Gürtel gesehen und zugeschlagen. Alles andere? Aus seiner Sicht offenbar der blühenden Fantasie eines Kindes geschuldet. 

Gottlob hatte es damals ein soziales Netz gegeben, das man getrost als vorbildlich bezeichnen kann. Das verhaltensauffällige Kind war – nach dem dritten Schulwechsel gerade in die 2. Klasse eingeschult – einer aufmerksamen Klassenlehrerin aufgefallen, die nun am dritten Verhandlungstag in ihrer Zeugenvernehmung sagte: „Uns kam das alles komisch vor.“ Gemeint war damit das „blaue Auge“, von dem der Junge anfangs sagte, dass er sich auf dem Spielplatz verletzt habe. Als man die Eltern hatte informieren wollen, habe der Siebenjährige geweint und gebettelt, das keinesfalls zu tun. Er habe Angst vor dem Freund seiner Mutter, der würde ihn schlagen – und auch das blaue Auge habe er ihm zu verdanken. In der Schule lief es fortan so, wie es laufen sollte: Die Schulsozialarbeiterin wurde hinzugezogen, die Schulleitung wusste Bescheid und schnell kam auch die städtische Kinderschutzbeauftragte mit ins Boot.

Gemeinsam entschied man, das Jugendamt zu informieren. Der Siebenjährige wurde aus der Familie heraus in Obhut genommen. Da hatte der Junge längst von der „Kopfspülung“ im Toilettenbecken erzählt und auch davon, dass er seinen Urin habe trinken müssen. Einmal soll er nachts ausgesperrt worden sein und im Schlafanzug auf dem Spielplatz ausgeharrt haben. Sein Stiefvater soll ihm die Unterhose derart hochgezogen haben, dass er große Schmerzen beklagte: Jugendamt-Mitarbeiter waren mit ihm in eine Klinik gefahren. Und immer wieder das flehende Betteln des Kindes, nicht zu Hause anzurufen – er dürfe all das doch niemandem erzählen. Auch hiervon konnte die Lehrerin berichten: Nachdem der Siebenjährige in ein Kinderheim gekommen war, habe sie keine blauen Flecken mehr an ihm gesehen. Wenige Monate nach den Vorfällen habe er erneut die Schule gewechselt.

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