Handball "Vergleiche keinen Trabbi mit einem BMW"

Solingen · Der Ex-Trainer der Drittliga-Handballerinnen des HSV Gräfrath über geplatzte Absprachen und seine Entlassung.

Das Neue Jahr beginnt für Sie mit einer neuen Aufgabe - als Trainer von BV Borussia Dortmund II. Erfreut?

Baude Ich bin wirklich mega-froh und glücklich. Das ist eine ganz andere Aufgabe. Es ist zwar die gleiche Liga, aber bei Gräfrath hieß es aufsteigen, jetzt: nicht absteigen.

Während Ihres Urlaubes in Österreich kamen Gerüchte auf, unter Ihnen sei zu lax trainiert worden. Wie fällt Ihre Entgegnung aus?

Baude Wenn man meine Geschichte kennt - ich komme aus der DDR, stand im Kader der Jugend-Nationalmannschaft, habe mit 15 angefangen, den Trainerschein zu machen und schnell die A-Lizenz -, dann weiß jeder: Ich bin kein überharter Trainer, aber ich habe klare Richtlinien und Regeln, die eingehalten werden müssen. Dazu kommt: Ich bin körperlich fit und kann es den Leuten vormachen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das da jetzt noch immer so ist.

Ihr Nachfolger, Alexander Müller, hat keine Trainerlizenz - geht so etwas auf DHB-Ebene überhaupt?

Baude Man muss einen Lizenztrainer auf der Bank haben. Dafür hat man nach einer Trainerentlassung sechs Spiele Zeit, danach gibt es Geldstrafen. Deswegen hatten sie ja hier und da auch den Trainer der zweiten Mannschaft, Ulli Beuel, oder den zweiten Vorsitzenden Stefan Bögel dabei, die Lizenzen haben. Man sieht auch: Es steckt viel in der Mannschaft drin, aber bei einem Trainer ohne Lizenz fehlt halt etwas.

Zum Beispiel?

Baude Erstmal: Ich glaube nicht, dass Vergleiche zwischen Alex Müller und mir, wie sie die Gräfrather immer wieder machen, angebracht sind. Ich gehe ja auch nicht hin und vergleiche einen Trabbi mit einem BMW. Es gibt jetzt kaum noch Taktikschulungen oder Videoanalysen. Nikki Schreurs oder Melanie Lorenz, beides Ex-Bundesligaspielerinnen, haben meiner Meinung nach gerade das schlechteste Training ihrer Karriere. Ich glaube nicht, dass die damit zufrieden sind. Da bin ich erstaunt, dass die Qualität von zehn auf drei heruntergefahren wird und die Mannschaft da ruhig bleibt.

Warum ist das so?

Baude Weil das Geld da ist und die Spielerinnen Angst haben. Einige Spielerinnen haben einen Job über den HSV bekommen und müssen davon ihre Wohnung bezahlen. Sie sind teilweise auch extra hierhin gezogen. Für die bricht eine Welt zusammen, wenn die mitten in der Saison gekündigt würden.

Apropos Geld - der HSV soll einen der höchsten Etats der Dritten Liga haben - warum klappt es dann nicht mit dem Aufstieg?

Baude Es ist nicht möglich, einfach Geld in die Hand zu nehmen, Leute zu kaufen und aufzusteigen. Der Etat beim HSV ist auf Zweitliga-Niveau, und es wurde den Spielerinnen ja auch schmackhaft gemacht, dass sie finanziell und beim Drumherum alles schon erreicht haben. Vielleicht wurde da der Sättigungsgrad zu früh erreicht. Man unterstützt sie beruflich und gibt ihnen Taschengeld - das ist unüblich in der Dritten Liga. Hier und da ist das der richtige Weg, in die Zweite Liga reinzugehen, aber der Zeitplan nicht. Man hatte einen Drei-Jahres-Plan, holt mich und gibt mir einen Zweijahresvertrag. Dann hätte ich das eine Jahr, das ich noch gehabt hätte, auch zu Ende machen können.

Wie lief Ihre Entlassung ab?

Baude Vor dem Spiel beim 1. FC Köln wurde mir gesagt, dass ich gewinnen muss, sonst würden Konsequenzen folgen. Und ich sollte das den Spielerinnen auch sagen. Das habe ich nicht getan, weil ich wusste, dass die Mannschaft durch Erkrankungen und Sterbefälle in den Familien schon genügend psychisch angeschlagen war, als dass sie mit dieser neuen Drucksituation hätte umgehen können. Sonntag nach dem Spiel war Frank Schütz (Manager, Anm. d. Red.) für mich nicht ansprechbar, ich wurde nur per sms benachrichtigt, ich solle Dienstag zur Geschäftsstelle kommen. Da waren dann nur Schütz und Michael Kölker (Geschäftsführer und Hauptsponsor, d. Red.) vor Ort, und mir wurde gekündigt.

Es soll eine andere Absprache gegeben haben. . .

Baude Wir haben gewusst, dass es ohne Friederike Büngeler mit ihrem Auslandssemester und den verletzten Spielerinnen Lisa Zeppenfeld, Lena Heider, Kira Bohlmann, Lena Beckers und Nikki Schreurs am Anfang schwierig wird. Annika Ingenpaß war wegen ihres Doppelspielrechts von 50 Einheiten vielleicht 15 Mal da. Aber in einem Sechs-Augen-Gespräch mit Alex Müller, Schütz und mir wurde uns gesagt: ,Jungs, wir müssen laut Kölker bis Ende der Hinrunde unter die ersten Drei kommen, sonst zieht er als Sponsor zurück'. Bei 4:6 Punkten wurde mir nach fünf Spielen gekündigt. Bei der Ausgangslage, dass man weiß, dass es schwer wird, verstehe ich das nicht. Ich habe mir als Trainer nichts vorzuwerfen.

Am 12. April kommen sie mit Dortmund nach Gräfrath. Wie fällt Ihr Fazit zu Ihrer Zeit beim HSV aus?

Baude Ich habe es genossen, mit den Spielerinnen zu arbeiten. Ich bin ja auch nicht von der Mannschaft gefeuert worden. Von mir aus wird es nie etwas gegen die Mannschaft geben. Ich bin jemand, der sich komplett einsetzt. Das Schlimmste daran ist, dass ich die Familie mit reinziehe. Die Spielerin Franziska List hat eine Tochter, und mein Sohn war da auf der Geburtstagsparty. Das sind Sachen, die durch eine Entlassung auch von einem Tag auf den anderen enden. Da muss ich mir überlegen, inwieweit ich das weiter so machen kann.

GEORG AMEND FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(ame)
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