Sportlerwahl Der akribische Arbeiter an der Seitenlinie
Solingen · Sebastian Hinze, Coach des Bergischen HC, ist einer der drei verbliebenen Kandidaten auf die Auszeichnung als "Trainer der Saison".
Die großen Hallen der Handball-Bundesliga können Sebastian Hinze keinen Respekt einflößen. Am letzten Spieltag der vorletzten Saison hatte der Chefcoach des Bergischen HC in der Auswärtspartie bei den Rhein-Neckar-Löwen schließlich schon einmal schnuppern dürfen, wie es ist, in der Mannheimer SAP-Arena an der Seitenlinie zu stehen.
Nach der Beurlaubung von Ha De Schmitz hatte Hinze mit Kristoffer Moen als Interimsduo gearbeitet. "Du bist so unter Spannung, dass du von der Atmosphäre gar nichts mitbekommst." Hinze ist jedes Mal derart auf das Spiel fokussiert, dass es kein Unterschied macht, ob es nun in der Sparkassen-Arena Kiel oder in der Kreissporthalle Kreuztal angepfiffen wird.
Als sich die Führungsriege des Bergischen HC entschieden hat, in der Trainerfrage die interne Lösung zu wählen, konnten sich der ehemalige Geschäftsführer Stefan Adam und dessen Nachfolger Jörg Föste sicher sein, einen akribischen Arbeiter unter Vertrag genommen zu haben. Sebastian Hinze lebt den Handball und überlässt nichts dem Zufall. "Keiner in der Halle hat sich so viele Gedanken zum Gegner gemacht wie ich." Den direkten Wiederaufstieg in die Erste Liga betrachtet der 34-Jährige nüchtern. "Ich war angetreten, um das Bestmögliche herauszuholen. So habe ich im Jugendbereich und auch mit der Zweiten Mannschaft gearbeitet." In der Bundesliga ist das nur extrem zeitaufwendiger.
In den ersten Wochen und Monaten haben die Verantwortung und Ansprüche an die eigene Arbeit Sebastian Hinze bis in den Schlaf verfolgt. "Ich hatte eine Idee, noch eine Idee und noch eine Idee." Um diese notieren, bearbeiten und vertiefen zu können, war der Laptop häufig auch noch im Bett in Betrieb. Die treibende Kraft, etwas anders zu machen, war Gattin Patrycja. "Mit ein paar Hilfen habe ich es geschafft, dass ich abschalten kann."
Nach einem Spieltag am Samstag bleibt tags darauf nicht nur das Handy und jedes andere technische Gerät ausgeschaltet. "Ich fahre zudem mit meiner Frau oft in den Reitstall, um auf andere Gedanken zu kommen. Das ist natürlich einfacher, wenn ein Spiel so verlaufen ist wie erwartet." Ein Prozess, der gewirkt hat. Der Cheftrainer behauptet von sich, in der Rückrunde organisierter zu Werke gegangen zu sein. "Es ist eben manchmal besser, sieben Stunden am Stück zu schlafen."
Zehn bis zwölf Stunden stehen täglich im Zeichen des Handballs — inklusive der Frühtrainingseinheiten an der NRW-Sportschule, die er trotz seiner Berufung zum Cheftrainer immer noch gerne leitet. "Eine nette Abwechslung." Seinen Hauptjob erledigt der A-Lizenz-Inhaber in der Regel in der BHC-Geschäftsstelle in Höhscheid, obwohl er auch zu Hause in Wuppertal am Computer arbeiten könnte. "Ich versuche immer, ab 9 Uhr im Büro zu sein. Hier werde ich bei der Trainingsplanung oder Videoanalyse nicht abgelenkt von unseren beiden Hunden, meiner Frau, dem Garten oder dem Kühlschrank", sagt er und lacht.
Rückblickend kann der Novize im Profibereich sagen, dass er sich genauso weiter entwickelt habe wie er es von allen Spielern verlange. "Ich habe meine Arbeit in Zyklen reflektiert und versucht, mich zu verbessern." Keine Sache sei dabei gewesen, die überhaupt nicht funktioniert habe und eine Wiederholung ausschließe. Sebastian Hinze hofft, dass die auf vier Positionen veränderte Mannschaft schneller spielerisch zusammenfinde werde als vor einem Jahr. "Damals musste meine Idee erst im Team ankommen. Ich glaube, dass die Integration ins System jetzt nicht so lange dauern wird, weil der Stamm des Kaders damit schon vertraut ist."
Der 34-Jährige strahlt Optimismus aus, wenn es um das Abschneiden in der kommenden Saison geht. Eine Platzierung als Ziel nennt er nicht, genauso wenig wie vor einem Jahr, als Hinze stets nur betont hat, dass sich die Mannschaft weiterentwickeln und auf ihre innere Stärke berufen müsse. "Das Glück müssen wir uns im Laufe der Saison in der Summe erarbeiten", sagt der Perfektionist. "Und es wird uns ganz gut tun, wenn wir uns sagen, dass wir in der Ersten Liga nur ein kleines Lichtlein sind."