Ausgleichende Gerechtigkeit

Keiner wusste, ob er sich nun über das Unentschieden ärgern oder freuen sollte. Nach einem ständigen Führungswechsel und einer turbulenten Schlussminute begnügten sich der TV Willstätt-Ortenau und der Bergische HC zum Auftakt in der 2. Handball-Bundesliga mit einem 24:24.

Elvir Selmanovic hatte einiges einstecken müssen. Mal hier einen Ellenbogen, mal da einen Schubser. Das bleibt nicht aus, wenn der gegnerische Kreisläufer versucht, sich eine gute Position zu sichern. Um sich gegen den gut einen Kopf größeren Till Bitterlich zu behaupten, musste Selmanovic zwangsläufig auch austeilen. Mit der Konsequenz, dass beide Akteure mehrmals von den Schiedsrichtern verwarnt, aber nicht mit einer Zeitstrafe bedacht worden waren.

Ausgerechnet in der Schlussminute pfeifen Matthias Knapp und Martin Puchinger ab – nachträglich. Elvir Selmanovic muss das Feld verlassen. Nach einem Zweikampf, wie er sich ihn mit Till Bitterlich die ganze Zeit zuvor schon geliefert hatte. Nur diesmal fällt der Willstätter Kontrahent spektakulär zu Boden. Ein umstrittener Pfiff, der den Bergischen HC im ersten Saisonspiel der 2. Handball-Bundesliga womöglich um den verdienten Punktgewinn bringen könnte.

Selmanovic‘ Fehlen kompensieren die verbleibenden fünf Feldspieler mit einer aggressiven, offensiven Verteidigung. Die Willstätter versuchen beim Stand von 24:24, die 46 Sekunden herunterzuspielen. Das machen sie nach Meinung der Schiedsrichter allerdings zu passiv – Zeitspiel lautet ihre Entscheidung, als noch 14 Sekunden zu spielen sind und der Ball just in diesem Moment zum freistehenden Marcus Helm auf Rechtsaußen unterwegs ist. Ausgleichende Gerechtigkeit, denn zuvor hatten die Unparteiischen auf der Gegenseite schon zwei Mal so spät in die Würfe von Kim Neuenhofen hinein gepfiffen, dass Willstätts Keeper Daniel Sdunek den Ball ohne Folgen aus dem Netz holen konnte.

Sebastian Hinze scheint nicht zu registrieren, dass dem Bergischen HC die Zeit für den letzten Wurf davon läuft. Statt nach vorne zu schauen und eventuelle Unachtsamkeiten beim Willstätter Rückzugsverhalten nutzen zu können, sucht der Kapitän wenige Sekunden vor Ende Torhüter Ivan Zoubkoff als Anspielstation. Coach Norbert Gregorz reagiert blitzschnell und beantragt schnellen Schrittes eine Auszeit.

Noch acht Sekunden, in denen das Team von Trainer Goran Suton das Remis mit einer offenen Manndeckung ab der Mittellinie zu verteidigen versucht. Mathias Fuchs wird unfair in die Mangel genommen, der letzte Wurf ist verhindert. Alexander Oelzes direkter Freiwurf wird abgeblockt und landet gut einen halben Meter über der Latte im Fangnetz. Zwar klatschen sich die Mitspieler ab, doch von Freude ist auf keiner Seite eine Spur. Mit ernsten Mienen und leicht hängenden Köpfen verlassen die Spieler beider Mannschaften die Halle in Richtung Kabine.

Auch die Trainer wissen nicht, ob sie nun das Unentschieden positiv oder negativ bewerten sollen. „Jetzt freue ich mich, aber morgen werde ich wohl um den einen Punkt trauern“, sagte Goran Suton in der Pressekonferenz. Trainerkollege Norbert Gregorz ärgerte sich erst, „schließlich mussten wir das Spiel bei einer Zwei-Tore-Führung fünf Minuten vor Schluss über die Bühne bringen“. Doch bei der Zigarette danach hatte der BHC-Coach – in Anbetracht der turbulenten 46 Schlusssekunden – seine Meinung schon wieder relativiert.

(RP)
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