Iris Preuß-Buchholz im Gespräch „Wir sind in Solingen am Ende des Sparens“

Interview | Solingen · Die Solinger SPD-Fraktionsvorsitzende Iris Preuß-Buchholz spricht in Interview über Pflicht und Kür beim Haushalt, über Bauchentscheidungen, fehlende Sparmöglichkeiten und denkbare Steuererhöhungen.

 Für Iris Preuß-Buchholz, hier an der Grundschule Böckerhof, sind Investitionen in Kitas und Schulen „absolut vordringlich“.

Für Iris Preuß-Buchholz, hier an der Grundschule Böckerhof, sind Investitionen in Kitas und Schulen „absolut vordringlich“.

Foto: Fred Lothar Melchior

Einbringung und Verabschiedung des Etats sind verschoben worden. Es gibt noch keine festen Termine. Mit welchen rechnen Sie?

Preuß-Buchholz Die Einbringung erfolgt jetzt wahrscheinlich im Dezember. Die Beratung könnte im Januar stattfinden. Eine derartige Verschiebung nach hinten ist für Solingen aber nicht ungewöhnlich.

Dieses Mal ist die Lage aber schon besonders.

Preuß-Buchholz Ich kann mich an keine andere Zeit erinnern, wo eine Krise die andere jagte. Wir müssen uns mit der Flüchtlingsfrage beschäftigen, dem Klimawandel und der Energiewende. Alles muss mit Finanzen hinterlegt werden. Wir wollen aber nicht in die alte Depression verfallen nach dem Motto: Alles schrecklich.

Zu dieser Bewertung könnte man aber leicht kommen.

Preuß-Buchholz Wir waren auf einem guten Weg durch den Stärkungspakt Stadtfinanzen, den die vorherige rot-grüne Landesregierung aufgelegt hatte. Wir konnten ausgeglichene Haushalte vorweisen und sahen Licht am Ende des Tunnels. Wir brauchen auch weiter die Freiheit, dass wir investieren können.

Was die von Bund und Land verordneten Pflichtaufgaben aber zunehmend unmöglich machen.

Preuß-Buchholz Bund und Land geben Aufgaben, aber die Finanzmittel fließen nicht adäquat. Der Altschuldenfonds muss dringend kommen. Er wäre ein Anfang, kann aber nicht die alleinige Lösung sein. Es muss eine entsprechende finanzielle Ausstattung der Kommunen geben.

Wie hilfreich ist es, durch Corona und den Gasmangel entstehende Kosten auszulagern, Stichwort „Putin-Deckel“?

Preuß-Buchholz Wie viele Deckel wollen wir noch in die Zukunft verschieben? Wir brauchen jetzt Lösungen.

Wie hilfreich sind dabei die Solinger Abgeordneten in Bundes- und Landtag?

Preuß-Buchholz Unsere Abgeordneten Ingo Schäfer und Josef Neumann wissen schon, wo in Solingen der Schuh drückt. Im Moment überstrahlt die Ukraine-Krise aber alles. In der Bundestagsfraktion gibt es zudem viele unterschiedliche Interessen. Es finden aber regelmäßige Gespräche mit Vertretern von Land und Bund statt.

Wo lässt sich in Solingen überhaupt noch sparen?

Preuß-Buchholz Wir sind nicht am Anfang, sondern am Ende des Sparens. Wir haben bisher schon jeden Euro zweimal umgedreht. Mir fällt nichts Neues ein. Wir wollen den Leuten nicht das letzte Bisschen Sport- und Kulturmöglichkeiten nehmen. Ich weigere mich, in Solingen ganz das Licht auszumachen.

Die CDU möchte vier Stellen in der „PR-Abteilung“ des Oberbürgermeisters streichen.

Preuß-Buchholz Die Stadt positiv darzustellen, ist wichtig. Dann kommen auch Investoren nach Solingen. Das Stadtmarketing hat in der letzten Zeit viel Gutes bewirkt.

Die Christdemokraten sagen das sicher auch über den Ordnungsdienst, wo sie neue Stellen schaffen wollen.

Preuß-Buchholz Mich ärgert, dass sechs befristete Stellen vor der Haushaltsverabschiedung entfristet werden sollten. Der alleinige Aspekt der Sicherheit in Solingen ist mir etwas zu wenig – als ob es in Solingen Mord- und Totschlag gäbe.

Ist die Stadtverwaltung an anderen Stellen überbesetzt?

Preuß-Buchholz Ein Beispiel: Durch die rasant steigenden Energiepreise werden wir viel mehr Wohngeldberechtigte bekommen. Da müssen wir eher Stellen schaffen. Ein anderes: In der Bauverwaltung haben wir viele Projekte vor der Brust, können sie aber nicht umsetzen, weil Architekten fehlen. Und Externe sind immer teurer als eigene Kräfte. Wir müssen nicht nur neue Mitarbeiter finden, sondern auch gute Leute halten – in allen Bereichen.

Für die Umgestaltung der Fußgängerzone in Ohligs und des Marktplatzes hat die Kapazität gereicht. War das wirklich ein vordringliches Projekt? Oder wird zu viel angepackt, weil es gerade Fördertöpfe gibt?

Preuß-Buchholz In Ohligs tut sich richtig was. Mit den Neubauten kommen auch zusätzliche neue Anwohner. Das Problem bei den Fördertöpfen von Land und Bund ist, dass die Stadt immer ihren Eigenanteil leisten muss.

Wuppertal zeigt sich offen, Solingen und Remscheid an der Bundesgartenschau zu beteiligen.

Preuß-Buchholz Das darf keine Bauchentscheidung werden, sondern müsste geprüft werden. Sicher wäre die Buga ein „nice to have“. Ob diese freiwillige Aufgabe machbar ist, muss sich zeigen. Die Regionale 2006 hat gerade für Solingen viel Positives bewirkt.

Mit welchen Ausgaben will die SPD Positives für die Klingenstadt erreichen?

Preuß-Buchholz Kitas und Schulen sind absolut vordringlich – gute Schulen, die gut ausbilden. Wir werden 340 Millionen Euro in Schulen investieren. Das ist eine unserer Pflichtaufgaben. Es wird nicht einfach: Der Anspruch auf die Offene Ganztagsschule, OGS, kommt, aber die finanziellen Mittel sind noch nicht da – und das bei steigenden Schülerzahlen. Wie soll das gehen? Ohne OGS würde der Fachkräftemangel noch größer, weil Frauen nicht arbeiten würden. Nur Österreich und Deutschland haben in Europa noch ein Halbtagssystem.

Pflicht und Kür: Wenn Bund und Land knausern, muss die Stadt dann nicht selbst für mehr Einnahmen sorgen?

Preuß-Buchholz Es ist zu früh, über Steuererhöhungen zu entscheiden, und es wird uns auch nicht retten. Die Frage ist doch: Ist es das richtige Signal in dieser Zeit? Wenn uns die Bezirksregierung dazu zwingt, werden wir es allerdings machen müssen.

Was dann bei einer Gewerbesteuer-Erhöhung möglicherweise dazu führen würde, dass Firmen abwandern.

Preuß-Buchholz Wir müssen verhindern, dass die Kommunen die Freiheit haben, unterschiedliche Hebesätze zu haben. Oder dass ein Unternehmen unsere Infrastruktur nutzt und seine Gewerbesteuer woanders zahlt.

Infrastruktur ist ein wichtiges Stichwort: Wie geht es weiter mit dem Straßenbau, mit Bus und Bahn?

Preuß-Buchholz Um zur nötigen Verkehrswende zu kommen, muss erst die Infrastruktur ausgebaut werden. Der Effekt des 9-Euro-Tickets ist verpufft; man hätte das Geld besser in die Infrastruktur gesteckt. Ich bin beispielsweise selbst oft mit der S-Bahn in Hilden gestrandet. Die Verkehrswende kann unsere Kommune aus eigener Kraft aber nicht steuern, wo sie jetzt auch noch den ÖPNV finanzieren muss. Wir reden nicht darüber, dass wir Buslinien einsparen wollen; eigentlich müssten wir sie ausbauen. Außerdem muss der Verkehrsraum besser aufgeteilt werden. Wir brauchen Radwege.

Brauchen wir auch eine Arena am Weyersberg?

Preuß-Buchholz Das Geld für eine Bergische Arena ist nicht im Haushalt vorhanden. Bisher haben wir nur entschieden, dass der Bau geprüft werden soll. Es ist nicht falsch, einen Spitzensportverein in Solingen zu halten. Comedy und Musical wären auch ein Mehrwert für die Bevölkerung. Ohne Arena müssen wir das Problem marode Klingenhalle nur mit städtischem Geld lösen. Noch gibt es viele Fragezeichen, auch bei der Infrastruktur. Es wäre schon genial, wenn dort ein S-Bahn-Haltepunkt entstehen würde. Momentan ändert sich die Welt aber so schnell, dass man nur noch von Jahr zu Jahr planen kann.

Es wird spekuliert, dass bei der Etatverabschiedung nicht alle Parteien an einem Strang ziehen werden.

Preuß-Buchholz Bei den Haushaltsverabschiedungen ist es uns bisher gelungen, dass wir fast alle an Bord hatten. Wir müssen Schulter an Schulter kämpfen und uns gegen Land und Bund wehren.

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