Walder Kotten in Solingen Das Comeback der Jazz-Session
Solingen · Nicht nur alte lokale Haudegen bewiesen, dass der Solinger Jazz pulsiert und ließen die lange Tradition des zwanglosen Zusammenspiels von Musikern, die sonst nicht in einer Band zusammenspielen, im Walder Kotten wieder aufleben.
Wenig verwunderlich ist, dass in Solingen statt des viel zitierten „Rock City No. 1“ so manchen Laternenpfahl oder Auto der kleine gelbe Aufkleber „Jazz City No. 1“ ziert. Beherbergt die Klingenstadt doch eine reichhaltige und vitale Musikszene, in der auch der Jazz mit seiner großen Vielfalt und den so unterschiedlichen Spielarten eine lange Tradition hat. Erinnert sei nur beispielhaft an den legendären Jazzclub an der Ritterstraße oder den Jazzkeller auf der Saarstraße, aber auch an die großen Big Bands der Stadt sowie an die Reihe „Solingen jazzt!“ in der Cobra und den alljährlich stattfindenden Jazzworkshop in der Musikschule.
Mit „Cute“, dem durch Count Basie berühmt gewordenen Jazzstandard von Neal Hefti, hatte das Kölner Quartett Jazzadero um Sängerin Kirsten Baudach mit ihrem Stilmix von Jazz über Tango und Bossa Nova bis hin zu kubanischem Son, Cha-Cha-Cha und Soul das Comeback der Solinger Jazz-Session als „Opener-Band“ gestartet. Und nach wie vor öffnete sich die knorrige Tür des Walder Kottens, um noch weitere Freunde gepflegter Jazzmusik in geselliger Runde – mal mit Instrumentenkoffer unterm Arm, mal nur zum Zuhören – einzulassen.
Der zwanglosen und gelösten Atmosphäre in der altehrwürdigen Fabrik entsprechend, brachte Initiator Jürgen Schmidt in seinem kurzen Grußwort seine Erleichterung über die große Resonanz zum Ausdruck: „Ich freue mich einfach riesig, dass ihr alle gekommen seit, um endlich wieder handgemachte und ehrliche Musik live zu erleben und auch mitzuspielen.“ Außerdem ließ er lobend auch nicht unerwähnt: „Eigentlich hatte ich mir jede Menge gute Argumente zurechtgelegt, um den Walder Bürgerverein zu überzeugen. Als wir uns dann aber zusammensetzten, kam ich gar nicht so weit, denn sehr schnell schon hieß es: klingt gut, das probieren wir mal aus.“
Schließlich erinnerte er noch an den im vergangenen November unerwartet verstorbenen und unvergessenen Michael Krautstein: „Mit ihm hatte ich mir bis zuletzt noch einen Proberaum in Wuppertal geteilt.“ Der beliebte Remscheider Schlagzeuger und Musiktherapeut war der langjährige Organisator und Macher hinter der Jazz-Session, zunächst im ehemaligen Pub Tom Bombadil, zwischenzeitlich dann im Gasthaus Schaaf und bis zuletzt im Schaberger Bahnhof.
Zum Auftakt der improvisierten zweiten Hälfte des kurzweiligen Konzertabends ließ es sich Jürgen Schmidt dann auch nicht nehmen, als erster beherzt die Trommelstöcke in die Hand zu nehmen.
Ohne Weiteres folgten ihm die befreundeten Jazzer Wolfgang Eichler am E-Piano und Bernd Pitzer am Kontrabass sowie Anchalita Pantongkham am Gesang auf die Bühne. Mit dem durch das Glenn-Miller-Orchester populär gewordenen Song „The Nearness of You“, von Hoagy Carmichael 1937 komponiert, eröffneten sie die eigentliche Session. Spontan gesellte sich mit einem beifallbegleiteten ersten Solo an der Klarinette der Orchesterleiter des Symphonischen Blasorchesters und Musikschullehrer Benedikt Frackiewicz dazu. Dieser hatte zuvor noch gesagt: „Ich bin hier heute zum allerersten Mal.“
„Genau so haben wir alle uns das gewünscht und vorgestellt“, resümierte ein sichtlich zufriedener Vorsitzender des umtriebigen Walder Bürgervereins, Wolfgang Müller: „Wir haben hier heute Abend um die siebzig Jazzfans aus der ganzen Region zu Gast.“ Unterdessen wechselten die Musizierenden von Profi bis Amateur sowie alt bis jung munter auf der Bühne weiter durch und improvisierten über Evergreens und Standards von Sinatras „Fly Me to the Moon“ bis „Summertime“ von George Gershwin.
Ein gelungenes Comeback, das dem Solinger Jazz zu wünschen lässt, für seine Jam-Session im Walder Kotten dauerhaft eine neue Heimat gefunden zu haben.