Fünf getötete Kinder in Solingen Die Mutter schweigt

Solingen/Wuppertal · In einer Hochhaus-Wohnung im Solinger Stadtteil Hasseldelle werden im September 2020 fünf tote Kinder entdeckt. Die Mutter steht nun wegen Mordes vor dem Landgericht Wuppertal. Sie schweigt.

 Die angeklagte Mutter steht zwischen ihren Anwälten Felix Menke (li.) und Thomas Seifert im Gerichtssaal.

Die angeklagte Mutter steht zwischen ihren Anwälten Felix Menke (li.) und Thomas Seifert im Gerichtssaal.

Foto: dpa/Oliver Berg

Als Polizisten am 3. September vergangenen Jahres die Tür einer Vier-Zimmer-Wohnung in Solingen-Hasseldelle aufbrechen, ist es schon zu spät. Sie finden drei kleine Mädchen und zwei Jungen in ihren Betten, eingewickelt in Handtücher und zugedeckt sehen sie aus, als würden sie schlafen. So beschreibt es ein Polizist später. Doch Melina (1), Leonie (2), Sophie (3), Timo (6) und Luca (8) sind tot. Ihre Mutter Christiane K. ist nicht in der Wohnung. Sie wirft sich keine halbe Stunde später im Düsseldorfer Hauptbahnhof vor eine S-Bahn – und überlebt schwer verletzt.

Neun Monate später wird Christiane K. am Montagmittag von Justizwachtmeistern in einen Gerichtssaal im Landgericht Wuppertal gebracht. Die zierliche 28-Jährige mit den blonden, langen Haaren verbirgt ihr Gesicht nicht, sie stellt sich hinter die Anklagebank und verschwindet dort aus dem Blickfeld der Fotografen und Kameraleute, weil ihre drei Verteidiger sich schützend vor sie stellen.

In nüchternem Juristendeutsch verliest der Staatsanwalt die Mordanklage. Christiane K. soll ihre Kinder an jenem Septembermorgen geweckt und ihnen Frühstück gemacht haben. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft mischte sie ihnen hohe Dosen Beruhigungsmedikamente in die Frühstücksgetränke. Die Kinder tranken die Flüssigkeit aus ihren Bechern, die Kleinste aus ihrem Fläschchen. Sie sollen danach müde geworden und eingeschlafen sein. Ihre Mutter soll dann Badewasser eingelassen, Badespielzeug bereitgelegt und ein mobiles Heizgerät im Raum aufgestellt und eingeschaltet haben. Sie soll dann ihre Kinder nacheinander – beginnend mit dem jüngsten – geweckt, ins Badezimmer gebracht, dort ausgezogen und in der Wanne erstickt oder ertränkt haben. Schwache Spuren deuteten darauf hin, dass die Kinder sich noch zu wehren versucht hatten, auch die kleine Melina, wie Rechtsmediziner später feststellten. „Doch die schwachen Abwehrversuche konnte die Angeklagte leicht überwinden“, sagt der Staatsanwaltschaft. Die junge Mutter soll ihre toten Kinder dann in Handtücher gewickelt, ins Kinderzimmer gebracht und dort in ihre Betten gelegt haben.

Die Angeklagte soll laut Anklage gezielt eine starke Gegenwehr der Kinder verhindert haben, indem sie ihnen die Medikamentencocktails verabreichte. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Tötung der Kinder aus Heimtücke aus. Der älteste Sohn, zum Zeitpunkt der Tat elf Jahre alt, war damals in der Schule. Christiane K. erzählte ihm, seine Geschwister seien bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Mit ihm setzte sie sich dann in den Zug nach Düsseldorf und schickte ihn weiter zur Großmutter nach Mönchengladbach, bevor sie den Suizidversuch beging. Damals sprachen die Ermittler vom „Zustand emotionaler Überforderung" der Mutter als mögliches Motiv für die Tat. Sie lebte zuletzt allein mit den Kindern. Ihre zerrüttete Ehe soll bei ihrem Entschluss eine Rolle gespielt haben.

Christiane K. selbst schweigt an diesem ersten Prozesstag. Sie lässt der Strafkammer nur über ihren Verteidiger Felix Menke mitteilen, dass sie sich zunächst weder zu ihrem Lebenslauf noch zu den Tatvorwürfen äußern werde. Ansonsten beobachtet sie den Prozess äußerlich ruhig und aufmerksam, hin und wieder streicht sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ihr Anwalt Thomas Seifert stellt mehrere Anträge und lehnt unter anderem den von der Staatsanwaltschaft eingesetzten psychiatrischen Gutachter ab, dessen Methodik „schablonenhaft“ sei. Der Psychiater habe Christiane K. während der Begutachtung zudem „vorgegaukelt“, alle Gespräche seien vertraulich. In einer vorläufigen Stellungnahme hatte der Sachverständige keine psychischen Erkrankungen bei der Angeklagten festgestellt. Anwalt Seifert will zudem den Ausgang eines Ermittlungsverfahrens gegen den Vater der Angeklagten abwarten, das derzeit in Mönchengladbach läuft. Die Ermittlungen sollen klären, ob er Christiane K. als Kind missbraucht hat – was wiederum für eine psychiatrische Beurteilung der Angeklagten eine Rolle spielen würde, so der Verteidiger.

Anwalt Seifert ist es auch, der am Rande des Prozesses vor Fernsehkameras und Journalisten bekräftigt, Christiane K. bestreite den Mord an ihren Kindern. Einer zweiten psychiatrischen Gutachterin hatte sie erzählt, ein Fremder mit einer OP-Maske sei an jenem Morgen in die Wohnung eingedrungen und habe ihre Kinder getötet. Möglicherweise äußert sich die Angeklagte am Donnerstag, dann wird der Prozess fortgesetzt.

Das Landgericht hat für den Fall elf Verhandlungstage angesetzt. Dann will die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Jochen Kötter ihr Urteil verkünden. Christiane K. droht eine lebenslange Haftstrafe.

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