Urteil am Landgericht Wuppertal Milde Haftstrafe im Messerattacken-Prozess

Solingen / Wuppertal · Das Landgericht Wuppertal entschied im Fall des irakischen Familienvaters aus Solingen wegen gefährlicher Körperverletzung auf eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Der Vorwurf des versuchten Totschlags wurde fallen gelassen. Der Mann hatte seine Ehefrau und Mutter seiner elf Kinder unter Alkoholeinfluss mit Messerstichen schwer verletzt.

Zwischen den Eheleuten gab es schon länger  Streit. Nach einer Flucht der in den Wirren des Irakkriegs verfolgten Kurden-Familie jesidischen Glaubens waren die Familienmitglieder nach Jahren der Trennung erst in Solingen wieder vereint worden. Der Vater, in Mossul Besitzer eines Getränkehandels mit mehreren Filialen, wurde von dort wegen des Verkaufs alkoholischer Getränke vertrieben. Ein Bombenattentat verletzte einer seiner Söhne schwer, ein Fuß musste amputiert werden. Seine Häuser und die Firma musste er verkaufen, um die Schlepper für die Flucht der Familie bezahlen zu können.

Der Vater kam als letzter in Europa an und tat sich schwer mit der Emanzipation von Frau und Kindern. Er vermisste den Respekt, den er von früher als „Oberhaupt der Familie“ gewohnt war.

Nach Aussagen der Zeugen habe er am 30. Januar um Mitternacht, nach der Heimkehr aus der Stadt mit Alkohol im Blut, von seiner Frau ein Abendessen verlangt, die ihm aber nur gezeigt haben soll, wo die Küche ist. Das habe ihn ausrasten lassen, es gab Beleidigungen. Dann habe er ein Küchenmesser gegriffen, auf seine Frau eingestochen und sich dabei auch selbst verletzt.

Ob er nun zu Fall gebracht worden sei, seine Frau und ein Sohn sich auf ihn gesetzt hätten und versucht hätten, ihm das Messer wegzunehmen, konnte nicht geklärt werden. Blutend sei das Opfer aus dem Haus geflüchtet, einer der Söhne weinend dabei. Der Angeklagte sei hinterher gelaufen, habe dann zum Bahnhof flüchten wollen. Unter der Brücke sei er ohnmächtig zusammengebrochen, so fand ihn dann die Polizei und brachte ihn in eine Klinik. Die nach ärztlicher Diagnose nicht lebensgefährlichen Verletzungen seiner Frau wurden von einem Ersthelfer versorgt.

Sein Anwalt sah unter Berücksichtigung der Lebensumstände keinen Tötungsversuch, sondern zu Beginn des Streits  nur den hilflosen Versuch einer „Disziplinierung“, um die altgewohnte Machtposition bestätigt zu bekommen.

Auch das Gericht erwähnte es ähnlich in einem Nebensatz, um zu verdeutlichen, dass in vielen Punkten der Ablauf der Tat nicht nachvollzogen werden konnte. Sein Teilgeständnis wurde vom Gericht positiv gesehen, der Klageverzicht der Ehefrau ebenso. Mit dem Urteil blieb das Gericht deutlich unter dem Antrag des Staatsanwalts, der eine Strafe von vier Jahren und zehn Monaten gefordert hatte

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort