Prozess am Landgericht Wuppertal Das Urteil war kein Selbstläufer

SOLINGEN/WUPPERTAL · Berufungsrichter verhängt Bewährungsstrafe nach Wohnungseinbrüchen.

Die Nachbarn in der Baustraße waren im Weihnachtsurlaub, als ein 33-Jähriger Solinger mit einem Schraubenzieher zwei Wohnungstüren in den unteren Etagen aufhebelte. Aus der ersten Wohnung schleppte der Angeklagte einen schwarzen Anzug, einen Fernseher, eine Playstation und eine Musicbox in seine Dachgeschosswohnung. In der zweiten Wohnung wurden ein Smart-TV-Recorder und ein dunkelgrüner Schlafsack zur Beute.

Um jeden Verdacht von sich abzulenken, soll er mit ähnlichen Einbruchsspuren auch seine eigene Wohnungstür beschädigt haben. Die Playstation soll er für kleines Geld einem Arbeitskollegen verkauft haben, der teure Smart-TV überlebte nur für einige Stunden die rabiaten Kapriolen einer nur wenige Tage zuvor bei ihm eingezogenen italienischen Dogge. Das Geld habe er gebraucht, um Futter für diesen und den zweiten Hund zu kaufen – und auch für das zwei Monate alte Baby. So hatte seine Aussage bei der ersten Verhandlung beim Solinger Amtsgericht gelautet, das ihn zu einer Haftstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt hatte.

Gründe für die zurückhaltende Beurteilung der Straftaten durch das Gericht in Solingen und jetzt durch das Berufungsgericht in Wuppertal gab es genügend. Nach heftigen Familienquerelen mit der Mutter und ihrem neuen Lebensgefährten war der Angeklagte als 13-Jähriger in ein Heim abgeschoben worden, in dem ihn Altersgenossen wohl sofort mit Rauschgift bekannt gemacht hatten. Alles habe er probiert – außer Heroin und Crystal. Mit dem Handel habe er auch angefangen, zudem für andere Dealer auch noch Drogengelder eingetrieben.

Eine Ausbildung zum Gärtner – parallel zum Entzug, zu der ihn das Gericht nach Mecklenburg-Vorpommern geschickt hatte – brach er nach Alkoholproblemen ab. Mit 21 und dem Erwerb des Führerscheins habe er aber auch damit aufgehört. Das unstete Leben ging trotzdem weiter. Über Rostock und Köln war der Angeklagte in den letzten Jahren wieder in Solingen gelandet, lebte einige Zeit in Obdachlosen-Quartieren und fiel auf mit kleinen Diebstählen und diversen Schlägereien. Eine längere Haftstrafe saß er ab, trotz allem sah ihn seine Bewährungshelferin als erstaunlich zuverlässig an.

Eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer, die er mit allen Zusatzqualifikationen erfolgreich abschloss, schien eigentlich die Wende zu sein. Die Chefs sind zufrieden mit ihm – wäre jetzt nicht die drohende Haft aus besagter Einbruchssache vor zwei Jahren gewesen, hätte er die Festanstellung wohl schon in der Tasche.

Deshalb war der Wunsch nach einer Bewährungsstrafe, für die sich erst die Staatsanwältin und dann auch das Gericht trotz Bedenken aussprachen. „Das war kein Selbstläufer, das war eine verdammt knappe Entscheidung“, gab der Berufungsrichter dem 33-Jährigen nach der Aussetzung der zweimonatigen Haftstrafe zur Bewährung mit auf den Weg.

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