Landgericht Wirres Verfahren um Kiosküberfall vorerst eingestellt

Beim Prozess um einen Kiosküberfall verlor so mancher die Übersicht.

Solingen: Wirres Verfahren um Kioskraub vorerst eingestellt
Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Erschreckend las sich die Polizeimeldung vom 11. September 2015: „Der Kiosk auf der Konrad-Adenauer-Straße wurde nach Mitternacht überfallen. Der Kioskbesitzer wurde mit einem Messer und einer abgebrochenen Bierflasche bedroht, ausgeraubt, zusammengeschlagen und gezwungen, sich nackt auf die Straße vor den Kiosk zu stellen. Passanten alarmierten die Polizei.“ Klein-Chicago mit pikanter Note mitten in Solingen? Das sollte jetzt vor dem Landgericht Wuppertal nach mehreren Anläufen aufgeklärt werden.

Erste Überraschung noch vor Prozessbeginn: Die Gruppe vor dem Sitzungssaal bestand aus Angeklagtem und Opfer, man unterhielt sich in lockerer Runde – also eher  Freunde als bittere Feinde. Zweite Überraschung: Der Kioskbesitzer war angeklagt, ebenjenen Kumpel, mit dem er nun munter plauderte, damals schlecht behandelt zu haben. Wie schlecht genau, wollte der Richter vom 43jährigen Opfer, einem Kfz-Mechaniker aus Solingen wissen. Der sollte als Zeuge aussagen, weil der Angeklagte eine Aussage verweigerte und holte mit seinen Schilderungen der Tatnacht so weit und verwirrend aus, dass der Richter sichtlich die Geduld und die Prozessbeobachter zuweilen den Überblick verloren.

Da ging es in der ersten Version um nicht rechtzeitig reparierte Autos aus einem Autohändlergeschäft, aus dem heraus der Kioskbesitzer eine Vertragsstrafe von 500 Euro  eintreiben wollte. Dazu hätte er den Mechaniker aus der nahe gelegenen Kneipe in seinen Kiosk geholt und wäre dann fordernd geworden. Zerschneiden wollen hätte er ihn mit der Bierflasche, seine Familie wurde heftig bedroht. Schließlich hätte er ihm 177 Euro Bargeld abgenommen und zum Ausziehen gezwungen, um ihn lächerlich zu machen.

Vor dem Kiosk sei er dann nach einem Faustschlag und Tritten im Adamskostüm liegengelassen worden. Wie nackt tatsächlich wurde nicht klar. Denn gesehen habe das keiner, so der Richter. Im Polizeibericht sei auch kein Wort darüber zu finden. Stattdessen fände sich dort das Ergebnis einer positiven Alkoholprobe und der Verdacht, zusätzlich unter Drogen gestanden zu haben. Die verwaschene und konfuse Sprache hätte darauf hingedeutet. Ausgesagt habe der Angeklagte bei der Polizei, dass man sich um Schulden von 1200 Euro aus einem Drogengeschäft gestritten habe. Das wollte das Opfer – wie vieles andere auch – nicht ausschließen. In dessen fünfter Version der Geschichte habe ihm der Kioskbesitzer die 1200 Euro erlassen wollen – wenn er nackt nach Hause gelaufen wäre.

Da jeder neue Widerspruch die Hintergründe noch diffuser machte, beschloss das Gericht auf Anregung des Staatsanwalts die vorläufige Einstellung des Verfahrens.

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