Ausbildungsmarkt in Solingen Nicht nur auf den „Traumberuf“ schauen

Solingen · Der Chef der Agentur für Arbeit rät Jugendlichen, dass gesamte Ausbildungsspektrum im Blick zu haben.

 Martin Klebe,  Chef der Agentur  für Arbeit Solingen- Wuppertal.

Martin Klebe, Chef der Agentur für Arbeit Solingen- Wuppertal.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Die Woche der Ausbildung, die am heutigen Montag startet, soll Unternehmen und potenzielle Auszubildende zusammenbringen. Klappt das?

Klebe In unseren Veranstaltungen wollen wir Unternehmen und Ausbildungssuchende miteinander ins Gespräch bringen. Beide Seiten haben Gelegenheit, sich persönlich zu präsentieren. Über eine gezielte Vorauswahl der Ausbildungssuchenden wollen wir die Chancen für einen Ausbildungsvertrag erhöhen. Wichtig ist uns der persönliche Kontakt. Denn nur er erlaubt es, sich jenseits von Zeugnissen und Schulabschlüssen ein vollständiges und umfassendes Bild von dem Bewerber beziehungsweise der Bewerberin zu machen.

Das Ausbildungsangebot ist vielfältig und reicht von sogenannten Grünen Berufen, über Handwerksberufe bis hin zu Ausbildungsberufen im naturwissenschaftlichen, technischen und kaufmännischen Bereich. Haben Jugendliche gleichwohl immer noch nur einige wenige „Traumberufe“ im Blick.

Klebe Dieses geschlechtsspezifische Phänomen ist unverändert feststellbar. Männliche Jugendliche tendieren im Vergleich zu Mädchen deutlich häufiger zu technischen Ausbildungsberufen wie den Kfz-Mechatroniker und Mädchen eher zu kaufmännischen Berufen oder zu einer Ausbildung als (zahn-)medizinische Fachangestellte. Unsere Beratung umfasst für jeden Jugendlichen das gesamte Spektrum der aktuellen Ausbildungsberufe einschließlich der MINT-Berufe. Das sind Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Was kann die Berufsberatung dagegen tun?

Klebe Die Berufsberater versuchen, die Jugendlichen auch für Alternativberufe zu öffnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Chancen des Einzelnen – zum Beispiel aufgrund schlechterer Schulnoten – in dem von ihm favorisierten Berufswunsch eher geringer sind oder aufgrund eines hohen Bewerberüberhangs eine ungünstige Marktsituation vorliegt. Generell, aber auch bei der Suche nach Alternativen können die Jugendlichen auf online-basierte Testverfahren wie SET (Selbsterkundungstool) oder die Potenzialanalyse im Rahmen von KAOA zurückgreifen. Ergebnisse sollten mit den Berufsberatern besprochen werden. Die Berufsberatung bindet in den Prozess auch Schule und Eltern ein. Jugendliche, die noch nicht ausbildungsreif sind, fördern wir mit berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen oder einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung. Während der Ausbildung unterstützen wir die Jugendlichen mit ausbildungsbegleitenden Hilfen.

Wie viele Jugendliche haben sich seit Beginn des Ausbildungsjahres 2018/19 am 1. Oktober vergangenen Jahres bei der Berufsberatung gemeldet?

Klebe Das Ausbildungsjahr läuft auf seine Halbzeit zu, so dass die Daten lediglich einen vorläufigen Zwischenstand bilden. In Solingen führen wir derzeit knapp 850 Bewerber, das sind rund 60 weniger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.

Wie sieht es beim Lehrstellenangebot aus ?

Klebe Wie in den beiden anderen bergischen Städten nimmt auch in Solingen das Ausbildungsplatzangebot weiter zu. In Solingen sind bis dato knapp 550 Ausbildungsstellen gemeldet worden, das sind fast 50 Stellen mehr als vor einem Jahr. Allerdings haben die beiden Nachbarstädte noch stärker zugelegt als Solingen. In Remscheid gibt es derzeit sogar mehr Ausbildungsplatzangebote als in Solingen. Aber auch bei den Stellen handelt es sich lediglich um einen Zwischenstand.

Solingen stand rein rechnerisch bei der Relation zwischen angebotenen Stellen und Bewerbern am schlechtesten im Bergischen da ? Die Auswahl für die Bewerber ist nicht so groß wie bei den Jugendlichen in Remscheid oder Wuppertal. Hat sich daran knapp vor Halbzeit des Ausbildungsstellenjahres etwas geändert ?

Klebe Durch die geringere Anzahl von Bewerbern und durch das gewachsene Angebot an Ausbildungsstellen hat Solingen eine deutlich bessere Relation als im Vorjahr. Zur Zeit kommen auf 100 Bewerber 65 Ausbildungsstellen. Vor einem Jahr lag die Relation noch bei 100 zu 55.

Welche Berufe haben aus Ihrer Sicht eine besondere Zukunft ?

Klebe Die duale Ausbildung behält auch in Zeiten fortschreitender Digitalisierung ihren Stellenwert, zumal immer mehr Berufsbilder angepasst und ergänzt werden. Neue Berufe wie zum Beispiel der Kaufmann eCommerce entstehen und greifen aktuelle Entwicklungen auf. Bei sehr langfristiger Betrachtung werden Berufe mit überwiegend gestaltenden, beratenden und pflegenden Anforderungen profitieren.

Welche eher nicht ?

Klebe Sich in permanent gleicher Weise wiederholende Routinetätigkeiten werden zunehmend von Maschinen ersetzt, so dass vor allem Berufsbilder aus der Industrie betroffen sein werden. Umso wichtiger ist es für jeden Beschäftigten, sich laufend weiterzubilden, um seinen Beruf auch unter veränderten Bedingungen ausüben zu können. Zur Unterstützung der Arbeitnehmer bauen wir mittelfristig unser entsprechendes Beratungsangebot aus. Auch können wir Weiterbildung finanziell unterstützen.

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