Ein Hauch von Urlaub in Solingen Verein fördert Hofschaftsleben in Keusenhof

Solingen · Regelmäßige gemeinschaftliche Aktivitäten der Bewohner prägen das Jahr am Keusenhof in Ohligs.

 Als Jahreszahl über der Tür dieses alten Bauernhauses im Keusenhof wird 1781 genannt – tatsächlich ist das Gebäude wohl deutlich älter.

Als Jahreszahl über der Tür dieses alten Bauernhauses im Keusenhof wird 1781 genannt – tatsächlich ist das Gebäude wohl deutlich älter.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Wer von der Kottendorfer Straße, unterhalb der früheren Beckmann-Brauerei, auf den Keusenhof einbiegt, wähnt sich nach ein paar Schritten bergauf plötzlich in einer Urlaubsgegend: Auf dem Scheitel der kleinen Anhöhe gelangt der Spaziergänger an eine Streuobstwiese mit Apfel-, Birn- und Pflaumenbäumen. Darunter fällt sein Blick in einen Hof voll rustikalem Charme. Blumen und Sträucher sprießen hier aus umgebauten Holzfässern.

Auf der einen Seite der Freifläche steht eine alte Scheune. Auch das Wohnhaus gegenüber ist ein Blickfang: Über seiner weißen Fassade erhebt sich ein pittoresker Dachgiebel mit Schieferverkleidung. Und auf dem steinernen Bogen über der Eingangstür ist die Jahreszahl „1781“ zu lesen. Das ist allerdings nur das Umbaudatum – tatsächlich ist das Haus wohl noch deutlich älter. Zusammen mit der Scheune und einem weiteren Fachwerkhaus bildet es so etwas wie das Herzstück der Hofschaft. Seit zwei Jahren hat dieses Ensemble einen neuen Besitzer. „Und der steckt viel Liebe und Arbeit dort hinein“, lobt Nachbar Uwe Schleiminger.

Dem 63-Jährigen ist die Geschichte des Ortes wohl vertraut. Er lebt seit 26 Jahren auf dem Keusenhof, nur wenige Meter von der Scheune entfernt. Und auch in seinem eigenen Haus atmet man förmlich die Geschichte, schließlich zählt es ebenfalls über 240 Lenze. „Ich habe nach etwas Altem gesucht und mich gleich in das Haus verliebt“, erzählt Schleiminger. Zumal die Lage einfach ideal sei: „Es ist ruhig, aber man ist schnell in der Stadt.“ Sein langjähriger Nachbar Oliver Menden, der inzwischen in Norddeutschland lebt, aber noch regelmäßig in der Klingenstadt weilt, pflichtet ihm bei: „Ruhiger als hier kann man nur an wenigen Stellen wohnen“.

Neben der Stille und den optischen Reizen der Umgebung ist es noch etwas anderes, was für die Beiden das Leben in der Hofschaft ausmacht – die vielbeschworene Gemeinschaft. „Die Nachbarschaft ist sehr stark ausgeprägt“, sagt Menden. Das zeige sich im alltäglichen Umgang – und in den regelmäßigen Aktivitäten der Bewohner der rund 30 Wohnhäuser, die die Hofschaft inzwischen hat. Da gibt es zum Beispiel einen „Dreck-Weg-Tag“ zu Beginn des Jahres: In Gruppen aufgeteilt befreien Groß und Klein die Umgebung vom Müll. Aber auch Fahrrad- oder Wandertouren und natürlich gesellige Feste stehen im Verlauf des Jahres auf dem Programm.

 Dieses alte Backhaus will der neue Eigentümer des Fachwerkhaus-Ensembles wieder reaktivieren.

Dieses alte Backhaus will der neue Eigentümer des Fachwerkhaus-Ensembles wieder reaktivieren.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Anfangs von einem harten Kern der Hofgemeinschaft organisiert, kümmert sich inzwischen ein Verein um die Nachbarschaftspflege: „Wir im Keusenhof“ gründete sich 2012. Sein Vorsitzender ist Uwe Schleiminger. Neben den Zusammenkünften eines engeren Kreises treffen sich die rund 40 Mitglieder einmal im Jahr zu einer großen Sitzung im Freien auf dem Hof. Zu den Zielen des Vereins gehört neben der Förderung von Geselligkeit und Sauberkeit auch die Denkmalpflege: Das liegt nahe, schließlich stehen mehrere Gebäude im Keusenhof unter entsprechendem Schutz, darunter auch das bereits beschriebene Wohnhaus im Kern der Hofschaft.

Ihre Ursprünge reichen bis ins Mittelalter zurück: 1375 findet der Keusenhof erstmals Erwähnung, als Lehngut, dessen Inhaber für den Landesherrn zum Kriegsdienst verpflichtet war. Später wurde daraus ein Sattelgut, das im Kriegsfalle ein gesatteltes Pferd bereit stellen musste. Spuren vergangener Zeiten gibt es viele – zum Beispiel das alte Backhaus, das der neue Eigentümer des zentralen Gebäudeensembles wieder reaktivieren will. Es schmiegt sich an das Fachwerkhaus an, in dem Christa Wirth und ihr Ehemann seit 40 Jahren zur Miete wohnen: „Hier lebt es sich sehr gut, und wir haben sehr nette Nachbarn“, schwärmt die Frau.

 In Eigenregie haben Anwohner der Hofschaft einen Bücherschrank aufgestellt, bamalt und lackiert.

In Eigenregie haben Anwohner der Hofschaft einen Bücherschrank aufgestellt, bamalt und lackiert.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Das sehen offenbar auch ihre Gäste so: Denn die Wirths betreiben im Haus, in diesem Jahr zum letzten Mal, ein eigenes Bed & Breakfast – und bewirteten bereits Besucher aus aller Herren Länder, sogar aus den Vereinigten Staaten. „Das ist wirklich sehr beliebt bei den Gästen“, freut sich Wirth. Und so trügt der Eindruck eben doch nicht, dass die Abzweigung der Kottendorfer Straße direkt ins Urlaubsgebiet führt.

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