Interview Thorsten Rheindorf „Bedingung: Am Bass geht nur eine Frau“

Solingen · Der gebürtige Solinger Thorsten Rheindorf (48) hat in Berlin eine späte Karriere als Musiker gestartet. Am 7. August gibt er in seiner Heimatstadt ein Solokonzert im Gasthaus Schaaf.

 „Das mit den Blumen tut mir leid“: Thorsten Rheindorf kommt in seine Heimatstadt.

„Das mit den Blumen tut mir leid“: Thorsten Rheindorf kommt in seine Heimatstadt.

Foto: Rheindorf

Im Alter von 45 Jahren, also vor drei Jahren, haben Sie entschieden, sich ausschließlich auf eine Karriere als Musiker zu konzentrieren. Warum so spät?

Thorsten Rheindorf Ich hab’ mich schlichtweg nicht getraut, vor fremden Menschen zu spielen, zu singen. Ich bin ja ohnehin kein begnadeter Klavierspieler, singen kann ich auch nicht, das ist ja nur ein Grummeln. Aber ich gehöre auf eine Bühne, das war irgendwie immer klar. Und vor drei Jahren hab’ ich beschlossen: wenn ich das jetzt nicht mache, dann nie.

Als gebürtiger Solinger haben Sie lange in Düsseldorf gelebt. Vor sechs Jahren sind Sie nach Berlin gezogen. Was hat Sie in die Hauptstadt gelockt?

Rheindorf Ein bisschen Lebenskrise, ein unternehmerischer Totalschaden und die richtigen Leute bei ein paar Besuchen hier, speziell in Neukölln. Ich kannte ja Berlin nicht wirklich, das hat mich schon ein bißchen angefixt hier. Und echte Freunde gibt es ja auch nicht einfach mal so geschenkt in meinem Alter, da hab’ ich Glück gehabt. Wobei: die ja auch.

Mit Ihrer Musik setzen Sie sich bewusst zwischen gleich mehrere Stilstühle. Was natürlich auch ein eigener Stil ist. War die Richtung von vornherein klar, oder hat sich das im Laufe der Zeit so entwickelt.

Rheindorf Das ist mit der Zeit so passiert, hat aber nicht lange gedauert. Ich will genau diese Musik, Drama, Herzschmerz, ich will aber auch Humor und die ganz große Show. Die Leute sollen sich einfach keine Sekunde langweilen. Und natürlich sollen die Mädchen weiche Knie bekommen. Eigentlich geht es genau darum.

Das erste Mal - wann fiel die Entscheidung, die eigenen Lieder vor Publikum zu präsentieren?

Rheindorf Ich musste mich da rantasten. Hab‘ mich hier mit Akkordeon und Weißwein ans Maybachufer gesetzt und mit Blick aufs Wasser laut, sehr laut gespielt und gesungen. Da konnte ich dann kein Publikum sehen, aber ich hab’ gemerkt, dass da Leute hinter mir stehen und zuhören. Fand ich sehr tapfer. Und wenig später dann ein erstes Konzert in meiner Stammbar, allein und mit einem Riesen-Aufwand. Da hatte ich gerade ausnahmsweise keinen Liebeskummer, der Gig war aber trotzdem ganz gut. Zumindest sind ein paar aus dem Publikum später nochmal wiedergekommen.

Der Bandname „Das mit den Blumen tut mir leid“ könnte auch der Titel eines Kleinkunstprogramms sein.

Rheindorf Mit dem Namen bin ich sehr glücklich, Volltreffer. Und man vergisst ihn nicht so leicht, glaube ich. Es ist lediglich schwer für das Publikum, den ganzen Namen zu skandieren, ehe die Show los geht. Aber ich bin da eh für „Schon gehört? Die Blumen sind in der Stadt“. Und besser als mein eigener Name ist er allemal. Ich werde so ziemlich nach jedem Konzert nach der Entstehungsgeschichte gefragt. Aber die erzähle ich ungern, das gibt dann nur wieder Ärger. Da soll einfach jeder was eigenes draus machen.

Sie haben einmal in einem Gespräch erwähnt, dass Sie in Bezug zu Ihrer Musik das Wort Chanson nicht mögen. Warum?

Rheindorf Chanson ist toll. Aber das ist dann halt schnell in dieser Tischdecken-Kerzenschein-Ecke, niemand bewegt sich und am Ende kommen die Zivildienstleistenden und sammeln das Publikum ein. Das kann bei meinen Solo-Abenden auch passieren, das ist natürlich etwas ruhiger als ein Programm mit der Band. Aber das wird gerade besser. Die Band hat zudem jetzt endlich auch einen Schlagzeuger und voraussichtlich bald eine Bassistin. Das war meine Bedingung: am Bass geht nur eine Frau.

Wie entstehen die Lieder?

Rheindorf Es gibt ein Thema, eine erste Zeile und irgendein Gedudel im Kopf, manchmal auch nur einen Rhythmus. Wenn der Text dann irgendwann endlich fertig ist, kommt die Musik oben drauf. Immer Moll, immer schmerzhaft. Und dann hilft die Band im Probenraum, da kommen dann die Ideen für alle Instrumente und Arrangements. Und genau das hat zuletzt geholfen, so dass wir jetzt relativ schnell eine ganz andere Ebene erreichen. Und das Beste: die anderen denken, sie wären in einer demokratischen Band.

Haben Sie die ganzen kleinen und großen Dramen in den Liedern eigentlich alle selbst erlebt?

Rheindorf Weitgehend ja, da kann ich nicht anders. Ich kann nicht über Themen schreiben, zumindest noch nicht, die mich nicht direkt berühren. Und dann sage ich halt nicht: „Schade, dass es mit uns nicht geklappt hat“, sondern „Dann lieber Krieg“. Aber die Texte sind nicht zwingend 1:1 so passiert. Ich habe einen Titel über jemanden mit einem großen Hang, die Klimakrise zu bejammern. Aber diese Person ist mir im echten Leben mit ganz anderen Dingen auf den Geist gegangen. Und ich hasse Pessimismus. Hab mich aber nicht getraut, das direkt umzusetzen in einem Song. Wenn die das jetzt liest, gibt es auch wieder Ärger.

Oder einen neuen Song.

Rheindorf Auch gut.

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