Solingen Telefon-Abzocke hat weiter Konjunktur

Solingen · Die Verbraucherberatung am Werwolf legt Jahresbericht vor. Über 17.000 Insolvenzverfahren in 20 Jahren begleitet. Seit Ende Mai kann nach Terminvereinbarung auch wieder persönlich beraten werden.

 Dagmar Blum leitet die Verbraucherberatung am Werwolf.

Dagmar Blum leitet die Verbraucherberatung am Werwolf.

Foto: Fred Lothar Melchior

Die Verbraucherberatung am Werwolf war seit Mitte März nur über Telefon und über Online-Zugangswege erreichbar, seit Ende Mai freut sich das Team um Beratungsstellenleiterin Dagmar Blum, nach Terminvereinbarung auch wieder persönlich beraten zu können. „Wir kehren schrittweise zu neuer Normalität im Beratungsalltag zurück“, erklärt Blum.

Beratungsalltag – das heißt vielfach, dass sich Prepaid-Kreditkarten nach der Bestellung via Internet nicht als finanzielle Soforthilfe, sondern als kostenträchtiges Zahlungsmittel entpuppen. Oder Energie­versorger, die Kunden mit unzulässigen Preis­erhöhungen überrumpeln. Haustür­verkäufer, die angesichts der bevorstehenden Fusion von Unitymedia und Vodafone zum Abschluss überflüssiger Verträge für den Fernsehempfang drängen. Und wenn etwas schieflief, wo eigentlich gezahlt werden sollte, folgte auch 2019 alsbald uner­wartete Post eines Inkassobüros – mit der Ankündigung oft hoher Gebühren, drohender Mahnbescheide oder Zwangsvollstreckung inklusive.

All das gehörte im vergangenen Jahr zum Beratungsalltag. Den fasste die Verbraucherberatung am Werwolf jetzt im Jahresbericht zusammen. Unter dem Strich war das Team um Dagmar Blum bei rund 6600 Ver­braucheranliegen im vergangenen Jahr An­sprechpartnerin, um Verbraucherrechte durchzusetzen oder unberechtigte Forderungen abzuwenden.

Mit rund 2300 Rechtsberatungen und -vertretungen hat sich die Beratungsstelle zumeist erfolgreich für die berechtigten Ansprüche von Ratsuchenden eingesetzt.

Einmal mehr kamen viele Ratsuchende mit Anliegen und Problemen rund um die Telekommunikation zur Beratungsstelle. Neben den Klassikern – nicht nachvoll­ziehbare Posten auf der Telefonrechnung, Stolperfallen beim Anbieterwechsel oder Frust, wenn vertraglich zugesicherte Internet­geschwindigkeiten und die Über­tragungsraten beim tatsächlichen Surfen im Alltag meilenweit auseinanderlagen – sorgte mangelhafte Information beim Vertragsabschluss in Telefon-Shops für Ärger­nisse. „So berichteten Verbraucher, dass sie überrumpelt worden waren und Verträge unterschrieben hatten, deren Konditionen und Kosten sie erst im Nach­hinein überblicken konnten“, sagt Dagmar Blum. Wie sehr gerade in Telefon-Shops die Regeln oft nicht eingehalten werden, ergab eine landes­weite Stichprobe der Verbraucherzentrale.

Danach kamen neun von zehn Shops ihren gesetzlichen Informationspflichten vor Abschluss eines Handy­vertrages nicht nach, berichtet Dagmar Blum. Den Kunden müssten aber die wesentlichen Vertragsinhalte im Produkt­informationsblatt vor der Unterschrift ausgehändigt werden.

Konjunktur hatten im vergangenen Jahr erneut am Telefon untergeschobene Verträge. So waren etwa mit dem Versprechen, 1000 Euro gewonnen zu haben, Verbraucher zum Ab­schluss eines Abos gedrängt worden. Denn dies sei zur Abwicklung nötig, weil der vermeintliche Gewinn ver­steuert werden müsse. Blum: „Hierzu waren dann auch Kontodaten der Opfer abgefragt worden. Erst mit Zusendung der Vertrags­unterlagen war den am Telefon Überrumpelten dann klar geworden, dass sie auf eine Abzockmasche hereingefallen waren.“

Einmal mehr hatten zudem Kriminelle mit Hilfe gestohlener Daten im Internet auf Kosten ihrer Opfer eingekauft oder auf deren Namen Verträge abgeschlossen. Betroffene erfuhren davon meist erst, wenn sie Rechnungen oder Inkasso­schreiben erhielten oder unbekannte Abbuchungen auf ihrem Konto vorfanden. In der Rechtsberatung hat die Beratungsstelle dubiosen Forderungen einen Riegel vorgeschoben und auch präventiv Tipps gegeben, um Datendieb­stahl vorzubeugen.

Seit zwei Jahrzehnten bietet die Verbraucherberatung auch die Schuldner- und Insolvenzberatung an. Nach 20 Jahren Verbraucherinsolvenzverfahren zieht die Beratungsstelle in der Solinger Innenstadt Bilanz: Mehr als 17.487 Betroffene haben die Fachberaterinnen in den umfassenden und zeitlich aufwändigen Verfahren begleitet. „Bei Schuldenproblemen schnell fach­kundige Unterstützung zu suchen – dieser Appell ist nach wie vor aktuell“, sagt die Leiterin der Verbraucherberatung.

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