Wirtschaft in Solingen und Remscheid Einzelhandel ist das „absolute Sorgenkind“

Solingen / Remscheid · Generell hat sich die Stimmung im Bezirk der Bergischen Industrie- und Handelskammer aber etwas verbessert – was jedoch nicht von Dauer sein muss.

 IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wenge (l.) und IHK-Präsident Henner Pasch zogen Bilanz.   Foto: Melchior

IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wenge (l.) und IHK-Präsident Henner Pasch zogen Bilanz. Foto: Melchior

Foto: Fred Lothar Melchior

Wenn man für 150 Euro nur ein „Einkaufskörbchen“, aber keinen Einkaufswagen mehr füllen kann, liegen die Folgen der Inflation auf der Hand: Der Kunde greift im Lebensmittelladen zu den preiswerteren Artikeln in den unteren Regalen und behält trotzdem nicht so viel Geld übrig, dass er sich noch teure Kleidung oder Restaurantbesuche leisten kann. IHK-Präsident Henner Pasch brachte das Beispiel am Freitag, um zu erklären, warum bei der jüngsten Konjunkturumfrage der Kammer die meisten schlechten Bewertungen der Geschäftslage aus dem Einzelhandel kamen (28 Prozent der dort Befragten). Und warum bei den Dienstleistern die Gastronomen und Hoteliers am unzufriedensten sind.

Abgesehen von dem „absoluten Sorgenkind“ und Problemen anderer Branchen geht es in der Wirtschaft Anfang 2023 aber leicht aufwärts – der Konjunkturklimaindikator stieg von 81 Punkten im letzten Drittel des Vorjahres auf jetzt 95. Der Tiefstand wurde in den letzten Jahren im zweiten Drittel 2020 erreicht (62), der Höchststand im letzten Drittel des Folgejahres (118).

30 Prozent der Umfrage-Teilnehmer berichteten von einer guten, 51 Prozent von einer befriedigenden und 19 Prozent von einer schlechten Geschäftslage. „Die Stimmung verbessert sich signifikant, besonders in der Industrie“, erläuterte Pasch. Die Region habe das Glück, „dass wir ein Standort sind, der hochwertige Markenprodukte hervorbringt“. Speziell in Remscheid geht es nach einem starken Einbruch im letzten Herbst jetzt mit einem Index von 25 wieder steil nach oben. In der Solinger Industrie zeigt der Pfeil dagegen weiter nach unten: Nach dem besten Wert von 33 zum Jahresbeginn 2022 ging es kontinuierlich bergab auf nun 10.

Im gesamten Kammerbezirk hat sich die Lage der Industrie aber verbessert: Berichtete im Herbst 2022 noch jedes vierte Unternehmen von einer schlechten Geschäftslage, war es diesmal nur jedes sechste. Dazu dürfte auch beigetragen haben, dass die gestiegenen Energiepreise sich weniger dramatisch auswirkten als gedacht – weil es längerfristige Verträge gab oder die gestiegenen Kosten an die Kunden weitergegeben werden konnten. „Das Energiesparen bleibt aber das Gebot der Stunde“, betonte der IHK-Präsident – und mahnte, dass es auch für Firmen, die in der Krise auf Öl oder Pellets umgestiegen waren, eine Preisbremse wie beim Gas geben müsse. Denn die Aussichten fürs laufende Jahr sind nicht die besten.

36 Prozent der Befragten rechnen für die nächsten zwölf Monate mit einer schlechteren Geschäftslage, nur 18 Prozent mit einer besseren. Nach Städten geordnet liegt Solingen mit einer erwarteten Geschäftslage von minus 15 (nach -31) vor Wuppertal (-19/-39) und Remscheid (-24/-50, jeweils als Differenz zwischen positiven und negativen Antworten). Dazu gibt es andere Baustellen. Der Fachkräftemangel, glaubt Henner Pasch, bleibe wohl für die nächsten zwei Jahrzehnte „das konstanteste aller Themen“. Wenn Unternehmen wie Ford große Teile der Belegschaft entließen, hätte der Mittelstand aber gute Chancen, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.

Und vielleicht auch als Ausbildungsbetrieb: Der Mangel an Bewerbern soll sich dieses Jahr besonders in Remscheid auswirken. Die IHK versucht mit vielen Veranstaltungen gegenzusteuern: Am 3. März stellen sich 80 Firmen im Wuppertaler IHK-Gebäude beim „Bewerber-Dating“ vor. Anfang Mai soll es eine Aktion in Solingen geben, Anfang Juni eine in Remscheid. Kommende Woche lädt die Kammer zu einem Eltern-Info-Abend ein.

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