Bundestagswahl 2021 „Die Partei ist wie ein eigenes Kind“
Solingen / Remscheid · Frederick Kühne, der Sprecher der Solinger AfD, bewirbt sich zum zweiten Mal im bergischen Wahlkreis 103 als Direktkandidat um einen Sitz im Bundestag.
„Ich bin seit dem zehnten Lebensjahr ein politischer Mensch“, sagt Frederick Kühne und erinnert sich, wie er Debatten am Fernseher verfolgte. Über die Junge Union fand der heute 49-Jährige 1996 zur CDU, für die er von 1998 bis 2003 im Solinger Stadtrat saß. Wegen der Euro-Rettung kam es zum Bruch mit den Christdemokraten: „In der CDU gab es keine offene Diskussion. Ich war für den Euro, aber unter der Bedingung, dass die Maastricht-Verträge eingehalten werden. Irgendwann muss einer den Scheck bezahlen – und wenn es über die Inflation ist.“ Ende 2012 trat Kühne aus der CDU aus.
Drei Monate später gehörte der Solinger zu den Gründungsmitgliedern der Alternative für Deutschland. Bei der Bundestagswahl 2017 holte er im gemeinsamen Wahlkreis von Solingen, Remscheid und Teilen von Wuppertal 15.303 Stimmen. Das waren 9,5 Prozent. In diesem Jahr strebt Kühne, der nicht über die Landesliste abgesichert ist, ebenfalls zehn Prozent an. „Ich werde um jedes Prozent kämpfen, aber der Wettbewerb wird immer größer.“
Eigentlich hatte der Bauleiter mit der AfD schon abgeschlossen. Im April 2018 verließ er die Partei, die sich in Solingen selbst zerlegte. „Ich hatte keinen Einfluss mehr, konnte die Notbremse nicht mehr ziehen. Also musste ich abspringen, wenn ich nicht mit dem Zug vor die Wand rasen wollte.“ 2020 kehrte er zurück. „Die Partei ist für mich wie ein eigenes Kind. Ich konnte die Scherben zusammenkehren.“
Warum entschied er sich nach seiner CDU-Zeit nicht für eine andere etablierte Partei ? Kühne: „Die Grünen waren damals einseitig gegen die Amerikaner. Als Angehöriger einer Freikirche bin ich aber eher Amerika-affin.“ „Rot“ sei für ihn nie eine Alternative gewesen. Bestärkt wurde er in seiner Ansicht durch Rumänendeutsche, die über die Zustände in kommunistisch geführten Staaten berichteten. „Hätte sich die SPD in die konservative Seeheimer-Richtung entwickelt, wäre sie eine Option für mich gewesen. Die Unternehmer-Partei FDP kam für mich nicht in Frage.“ Er komme aus einem Arbeiterhaushalt, sei christlich-sozial und nicht neoliberal eingestellt.
Wo sieht Frederick Kühne Schwerpunkte seiner politischen Arbeit ? „Ich bin Generalist, aber eines meiner Lieblingsthemen ist die Außenpolitik – dass wir beispielsweise als Europäer selbstbewusster auftreten gegenüber den USA.“ Gleichzeitig wünscht sich der 49-Jährige eine Annäherung an Russland mit einer Einbindung in den europäischen Wirtschaftsraum. „Ich sehe die Gefahr, dass wir uns China zu sehr ausliefern.“ Und die EU als politische Gemeinschaft? „Wir wollen viel mehr Verantwortung in die Hände der Nationalstaaten legen. Die EU mit ihren vielen Kompromissen ist zu bürgerfern. Ich bin für komplette Eigenverantwortlichkeit der Bürger.“
Wie steht Frederick Kühne zu Ausländern und Flüchtlingen? „Ich bin in derselben Hochhaussiedlung aufgewachsen wie Mola Abedisi, habe syrische, russische und jüdische Freunde,“ erzählt der gelernte Maurer, der Einwanderungsgesetze wie in Kanada und Neuseeland fordert. „Ich stelle mir die AfD als freiheitliche Bürgerpartei vor, wie es sie in der Schweiz gibt. Entweder man hat einen Sozialstaat mit Grenzen oder keinen Sozialstaat ohne Grenzen.“
„Ich habe keine Vorteile von meiner politischen Arbeit“, sagt der Sprecher der Solinger AfD. Er bedauert, dass alte private Verbindungen nach seinem Eintritt in die Partei zerbrochen sind und dass Kontakte mit dem „Bürger im Bierzelt“ nicht möglich seien: „Dann müssten wir den Ort wieder geheim halten.“ Auch intern gebe es harte Auseinandersetzungen. „Mit Rechtsradikalismus will ich nichts zu tun haben. Ich behaupte aber, dass es weniger als ein halbes Prozent sind, die alten Nazi-Ideologien anhängen. Die Problematik ist, dass sie manchmal sehr lautstark sind.“