Nachhaltige Sanierung So ersetzt Erdwärme eine Gasheizung

Solingen · Das Hochwasser der Wupper im Juli 2021 hat auch das Haus von Lisa Demmer in Mitleidenschaft gezogen. Eine neue Heizungsanlage musste her. Die Hausbesitzerin steigt jetzt um und will Erdwärme nutzen.

 Geologe und Geothermie-Berater Bernd Bremerich-Ranft kontrolliert auf seinem Laptop Informationen zur Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes.

Geologe und Geothermie-Berater Bernd Bremerich-Ranft kontrolliert auf seinem Laptop Informationen zur Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes.

Foto: dpa/Marius Becker

Im Sommer vorigen Jahres stand Lisa Demmer in ihrem denkmalgeschützten Wohngebäude in Solingen noch kniehoch im Wupper-Wasser. „Die Flut hat unser ganzes Erdgeschoss überschwemmt“, erzählt die 60-Jährige. Nachdem auch die alte Gasheizung zerstört worden war, entschieden Lisa Demmer und ihr Mann sich bei der Sanierung des Hauses für ein neues Heizsystem: oberflächennahe Geothermie, sogenannte „Erdwärme“.

In dem mit Efeu bewachsenen Backsteinhaus an der Wupper gibt es drei Wohnungen und einen großen Garten. Zwei Wohnungen in der ehemaligen Messerschleiferei hatte Demmer früher vermietet – mit dem Slogan „Ferien im Industriedenkmal“. Nach der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 habe die Versicherung den Wiederaufbau im gleichen Zustand angeboten – also auch mit Gasheizung. „Perspektivisch wollten wir das Haus aber an die Kinder übergeben und hätten gerne, dass das für die nächsten 50 Jahre dann technisch fit und keine Umwelt-Dreck-Schleuder mehr ist“, erzählt die Hausbesitzerin.

Gesagt, getan. An diesem Tag Anfang Dezember steht ein etwa acht Meter hoher, mobiler Bohrer vor der Haustür. Mit konzentriertem Blick steuert einer der vier Techniker den Bohrkopf in die Erde. Bei der umweltfreundlichen Energiegewinnung wird mittels spezieller Sonden Wärme aus dem Boden entnommen und über eine Wärmepumpe ins Gebäude transportiert.

 Mit einem Bohrer treibt ein Arbeiter ein Loch für die Sonde einer Wärmepumpe in den Boden. Laut Geologischem Dienst Nordrhein-Westfalen sind die Möglichkeiten für die Nutzung von Geothermie gerade in Nordrhein-Westfalen sehr groß.

Mit einem Bohrer treibt ein Arbeiter ein Loch für die Sonde einer Wärmepumpe in den Boden. Laut Geologischem Dienst Nordrhein-Westfalen sind die Möglichkeiten für die Nutzung von Geothermie gerade in Nordrhein-Westfalen sehr groß.

Foto: dpa/Marius Becker

„Letztlich ist das eine Kältemaschine, wie ein Kühlschrank“, erklärt Geologe Bernd Bremerich-Ranft. „Beim Kühlschrank wird die Wärme an den Raum abgegeben. Wir kühlen den Untergrund und nutzen die Abwärme, um das Gebäude zu beheizen.“ Der 57-Jährige berät die Hausbesitzerin bei dem Projekt. Er ist Geschäftsführer der Geobit Energieprojekte, einer Firma, die sich auf die Planung von Geothermie-Projekten spezialisiert hat. Im Moment klingele das Telefon am laufenden Band, berichtet er. Zum ersten Mal in der 13-jährigen Firmengeschichte habe er Aufträge ablehnen müssen. Doch das gehe nicht nur ihm, sondern der ganzen Branche so. „Das ist ein unerschöpfliches Potenzial, was wir da haben“, erklärt er.

Laut Geologischem Dienst Nordrhein-Westfalen sind die Möglichkeiten für die Nutzung von Geothermie gerade in Nordrhein-Westfalen sehr groß. Mit Ausnahme weniger Bereiche sei der Einsatz flächendeckend möglich, betont die Behörde. Außerdem sei es ein Vorteil, dass die nachhaltige Wärmegewinnung „nicht abhängig von Jahres- oder Tageszeit oder vom Wetter“ ist, erklärt ein Behörden-Sprecher der in Krefeld ansässigen Behörde.

Potenzial sehen die Geologen dabei nicht nur für oberflächennahe Geothermie-Projekte, bei denen bis zu 400 Meter tief gebohrt werde. Auch für mitteltiefe und tiefe Geothermie-Bohrungen, die bis zu 6000 Meter in die Erdkruste vorstoßen, bietet NRW laut Geologischem Dienst weitreichende Möglichkeiten. Möglich mache dies warmes oder gar heißes Tiefenwasser, erklärt ein Sprecher.

Für Lisa Demmer war eine Umstellung auf eine nachhaltige Wärmegewinnung auch schon seit ein paar Jahren interessant. „Die Flut war auch eine Gelegenheit für uns, die Geschichte anzupacken“, erklärt sie. Mehrere Anläufe habe es gebraucht, um zu entscheiden, welche Art von Anlage eingesetzt werden soll.

Bei der nachhaltigen Wärmegewinnung mit einer Wärmepumpe gebe es zwei Varianten, sagt Bremerich-Ranft: „Erdgekoppelt mit Geothermie oder mit einer Luftwärmepumpe. Das ist aber Plan B.“ Die unterirdische Variante sei effizienter, ungefähr drei Viertel der benötigten Wärme im Haus könne aus dem Boden geholt werden.

Allerdings seien die Kosten für viele Menschen noch eine große Hürde für den Umstieg - trotz sinkender Betriebskosten im Vergleich zu Heizungsanlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Um einen 100 Quadratmeter großen Neubau mit Erdwärme zu beheizen, schätzt der Geologe die Gesamtkosten für Wärmepumpen-Installation, Planung und Erdwärmesonde auf rund 30.000 Euro. „Im Moment gibt es aber bis zu 40 Prozent Förderung“, betont er.

Kritische Stimmen aus der Nachbarschaft gebe es bislang nicht. Bei größeren Projekten kommt jedoch laut Bremerich-Ranft öfter eine gewisse Skepsis auf. Auf Baustellen sei er ab und zu auch mal beschimpft worden. Zuletzt sei ihm ein Demonstrant mit einem Schild entgegen gekommen: „Bohrt doch in eurem eigenen Garten“. Der Geologe schmunzelt. „Das machen wir ja auch“.

Kritisiert würden eher die tieferen Bohrungen, denn ein Risiko bei der oberflächennahen Geothermie gebe es kaum. „Es werden keine Erdbeben erzeugt, und es gibt auch keine Erdschichten, die aufquellen“, erklärt er. Probleme sieht er woanders: Aktuell mangele es an Fachpersonal und Ausrüstung – etwa 2500 Bohrgeräte fehlten bundesweit.

(dpa)
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