Aus für den Konsumtempel Heute letzter Verkaufstag im Kaufhof

Mitte · Am 14. März 1928 öffnete das Kaufhof-Vorgängerunternehmen Tietz seine Pforten. Nach 91 Jahren ist nun Schluss.

 Krasse Gegensätze: Werbung mit „Ich freu mich drauf“ auf der einen Seite und „Totalausverkauf“ auf der anderen Seite: Der Kaufhof ist heute Abend Geschichte in Solingen.

Krasse Gegensätze: Werbung mit „Ich freu mich drauf“ auf der einen Seite und „Totalausverkauf“ auf der anderen Seite: Der Kaufhof ist heute Abend Geschichte in Solingen.

Foto: Uwe Vetter

„Ich freu mich drauf“ heißt es auf dem großen Plakat im Schaufenster. Gleich daneben, in ebenfalls großen Lettern, steht etwas, was nicht unbedingt Freude aufkommen lässt. Bei den Beschäftigten schon gar nicht: „Totalausverkauf – wir schließen“, heißt es da, denn: Am heutigen Samstag, 16. März, schließt der Kaufhof seine Solinger Filiale – nach exakt 91 Jahren.

Am 14. März 1928 war der Andrang groß. Kurz nach 8 Uhr hatten sich auf dem Mühlenplatz mehrere hundert Menschen versammelt. Aus allen Stadtteilen Solingens waren sie gekommen, um in das Kaufhaus Tietz, dem Vorgängerunternehmen des Kaufhofes, zu gelangen. Die Polizei hatte damals große Mühe, die 15 Schaufenster des Hauses zu schützen: Nach knapp zehn Monaten Bauzeit war das Kaufhaus Tietz eröffnet worden – die Massen strömten in das Geschäft.

Von derlei Andrang können Einzelhändler heutzutage aber nur noch träumen. Gleichwohl: Als gestern um 9.30 Uhr der Kaufhof an der Hauptstraße zum vorletzten Mal die Türen öffnete, ließen die Kunden nicht lange auf sich warten. Schnell füllte sich das Geschäft, Schnäppchenjäger kamen auf ihre Kosten.

„Alles muss raus, tolle Rabatte in allen Abteilungen“: Geldbörsen in echt Leder und Handtaschen gab es mit Preisnachlässen von 50 und 60 Prozent. Uhren und Schmuck, Mützen, Schals, Parfüm, Strümpfe, Damenkleidung – für wenig Geld wird der Rest des noch vorhandenen Sortiments den Kunden angeboten. Das geht auch heute, am letzten Verkaufstag im Kaufhof, so weiter. „Wären die Kunden immer in so großer Zahl gekommen, hätten wir nicht schließen müssen“, sagen Mitarbeiter mit ein wenig Wehmut.

Das Untergeschoss ist nicht mehr zugänglich, das zweite Obergeschoss ebenfalls nicht. Im ersten Obergeschoss haben sich die Reihen schon merklich gelichtet. Rot-weißes Band sperrt die leer geräumten Flächen ab – der Kaufhof in Solingen hat schon schönere Tage erlebt.

Beispielsweise Zeiten, in denen im zweiten Obergeschoss noch ein Restaurant und im Untergeschoss ein Lebensmittelmarkt zu finden waren. Oder als der Elektromarkt Saturn noch mit im Haus integriert war und für Kundenfrequenz im oberen Teil der Hauptstraße sorgte, von der auch der Kaufhof profitierte.

Allerdings kippte die Kundenfrequenz in den vergangenen Jahren. Als das neue Einkaufszentrum Hofgarten am Neumarkt im Oktober 2013 öffnete, waren der Kaufhof und auch die Clemens-Galerien mehr oder weniger von den Kundenströmen abgehängt. Die Kaufhof-Konzernleitung sah offenbar nicht mehr die Möglichkeit, die Solinger Filiale wirtschaftlich zu betreiben. Im Mai des vergangenen Jahres kündigte das Unternehmen schließlich das Aus der Filiale mit einer Verkaufsfläche von 7400 Quadratmetern in der Solinger City an. Allgemeine wirtschaftliche Gründe wurden für diese Entscheidung angeführt, aber auch die Leerstände in der Innenstadt. Der Protest war riesig, auch Oberbürgermeister Tim Kurzbach zeigte sich enttäuscht und verärgert. Die Kaufhof-Konzernleitung revidierte ihre Entscheidung jedoch nicht.

Der Leerstand wird nun vorübergehend noch größer werden, als er ohnehin schon ist. Immerhin: Das Erdgeschoss wird eine Weiternutzung erfahren. Dort wird voraussichtlich bis Mitte 2020 Woolworth von der gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße einziehen. „Für das erste und zweite Obergeschoss sind wir mit Interessenten in Verhandlungen“, sagt Dr. Jochen Stahl.

Der Eigentümer der Kaufhof-Immobilie und der angrenzenden Clemens-Galerien sieht aber zunächst Umbaubedarf in dem Haus, in dem über Jahrzehnte hinweg der Kaufhof war. Das ganze Gebäude solle heutigen Ansprüchen entsprechend umgebaut werden. Auch eine Passage hin zum Fronhof ist vorgesehen. „Zum 1. April wird das Unternehmen das Haus übergeben, vielleicht schaffen wir den Umbau schon bis November dieses Jahres“, sagt Dr. Jochen Stahl. Das Untergeschoss, in dem noch bis vor kurzem Männermode und Sportartikel angeboten worden waren, soll künftig als Lagerfläche dienen.

Zunächst steht aber heute erst einmal der letzte Verkaufstag des letzten verbliebenen Warenhauses in der Innenstadt an. Wie immer, wird um 9.30 Uhr geöffnet, geplant ist, bis 18 Uhr die Türen geöffnet zu haben. Es sei denn, dass die noch vorhandenen restlichen Waren schon vor dem offiziellen Ladenschluss verkauft worden sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort