Ausstellung in Solingen Von der Venus zum Pin-up der Fünfziger

Michael Klette stellt in der Galerie SK neue Acrylbilder zum Bild der Frau zur Diskussion.

 Michael Klette stellt in der Galerie SK neue Acrylbilder zum Bild der Frau zur Diskussion. Hier steht er vor einem leicht ­bekleideten Pin Up, das unbeschwert auf einem Fahrrad sitzt.

Michael Klette stellt in der Galerie SK neue Acrylbilder zum Bild der Frau zur Diskussion. Hier steht er vor einem leicht ­bekleideten Pin Up, das unbeschwert auf einem Fahrrad sitzt.

Foto: Güdny Schneider-Mombaur

Ikonische Frauenbilder bestimmen die aktuelle Ausstellung von Michael Klette in der Galerie SK. Irgendwie kommen sie dem Besucher gleich bekannt vor. Wir begegnen Marlene Dietrich, erkennen Doris Day und Romy Schneider, aber auch typische Frauenbilder der Zwanziger und Fünfziger Jahre des vorigen Jahr­hunderts. Klette hat sein Thema der Ikonografie und Motivgeschichte ent­lehnt.

„Alles begann mit der „Venus vor dem Spiegel“ von Diego Velasquez von 1644“, erläutert Klette. „Es war quasi das erste Bild der Serie „Seelen“, wie auch die Ausstellung betitelt ist.“ Der Maler greift das Motiv der mytho­logischen Liebes­göttin Venus auf, das bereits in der Kunst­geschichte von zahlreichen nam­haften Künstlern bearbeitet wurde und übersetzt es ins Heute. Bei Klette geschieht dies jedoch nicht durch vordergründige moderne Ac­ces­soires. Seine unge­stüme Mal­weise, die unbe­schwerte Farb­wahl und der Verzicht auf na­tu­ralistische Modellierung oder Detail­lierung wei­sen das Bild als Artefakt der Gegenwart aus.

In der Weiter­entwicklung dieser Idee ver­ändert der Künstler zunehmend die Bildhinter­gründe und Malweise traditionell bekannter Motive. Die schaumgeborene Venus von Botticelli oder vielleicht eher ihre 1879 geschaffene Nachschöpfung durch den Fin de siècle – Maler William Bouguereau findet sich im Ober­geschoss der Galerie als winziges Kleinformat. Bei Michael Klette ist die Liebesgöttin gefangen in einem Birkenwald. „Es sind die rätselhaften, die nicht ein­deutigen Bildwelten, die mich in­teressieren“, kommentiert Klette.

Zweideutige und auch mehrdeutige Aussagen hat Klette im Fundus der Fotografen Paul Outerbridge und Gil Elvgren gefunden. Bei Outerbridge (1896-1958), einem Freund von Man Ray und Vertreter der Neuen Sachlichkeit, agieren die im Bild dargestellten Personen in zum Teil inszenierten Bildwelten. Dies inspi­rier­te Klette, die fotografisch Porträ­tierten, oft Schauspieler oder der neue emanzipierte Frauentyp der Goldenen Zwanziger Jahre, in seinen Bildern in einen anderen Kontext zu setzen.

Für den aufmerksamen Betrachter ergeben sich besonders bei den Bildern, die nach den Illustrationen von Gil Elvgren (1914-1980) entstanden sind, kontextuelle Mehrdeutigkeiten. Klette setzt etwa eine leicht beklei­dete Frau, die in den Fünfzigern als Pin-up herhalten musste (das heißt: deren Bild an die Wand gepinnt wurde, um durch aufreizende sinnlich erotische Hal­tung Männer­phantasien anzure­gen) auf ein modernes Fahrrad. Unbe­schwert und harmlos radelt sie nun vor grafisch abstrakt dargestellter Waldkulisse, als wäre sie gerade von einem aktuellen Mode­fotografen abgelichtet worden.

Hat sich die Frau verändert, hat sich der Blick auf die Frau verändert, hat sich der Betrachter und die Gesellschaft verändert, oder ist die Harmlosigkeit dieser burlesken Szenen der Pin-ups angesichts unserer heutigen sexi­stischen Bildwelten geradezu mu­seal ?

Insgesamt zeigen die Bilder ein neues Kapitel im malerischen Werk des Solinger Künstlers. Sie sind, beeinflusst durch die gewählten Vorbilder, in ihrer Darstellungsweise plakativer, farbiger, sind aber durch kleine Details wie die eingefügten Regentropfen auf einigen Bildern unmittelbar verknüpft mit früheren Werken und führen seine maleri­schen Auseinandersetzungen, die wir aus seinen „filmstills“ und den „lost places“ kennen, konsequent weiter.

Warum aber hat der Künstler seine Ausstellung „Seelen“ genannt ? „Alle hier gezeigten Personen leben nicht mehr“, erklärt Klette. „Sie alle aber haben Spuren hinterlassen, in Filmen, in Werbeanzeigen oder als Pin-ups.“ Folgt man Michael Klette, so schweben ihre Seelen in unserem Bildgedächtnis und beeinflussen Kunst und KünstlerInnen bis heute, wie man an der aktuellen Präsentation unzweideutig ablesen kann.

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