Anschlag auf 650-Jahr-Feier in Solingen Die Feier, die zum Albtraum wurde

Solingen · Tausende wollten in Solingen ausgelassen den Geburtstag ihrer Stadt feiern. Doch auf das „Festival der Vielfalt” folgen Angst und Schrecken. Ein Angreifer sticht auf Menschen ein, mindestens drei sterben. Eindrücke vom Anschlag aus nächster Nähe.

Solingen Anschlag: Tote und Verletzte bei Attacke auf Stadtfest – Fotos
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Tote und Verletzte bei Attacke auf Solinger Stadtfest

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Foto: dpa/Gianni Gattus

Es sind Szenen, die man so oder so ähnlich aus Schreckensmeldungen in den Nachrichten kennt, von denen die meisten Menschen aber im Grunde nicht ernsthaft erwarten, sie wirklich einmal selbst erleben zu müssen: Noch bis etwa 21.45 Uhr am Freitagabend war das „Festival der Vielfalt“ zum Solinger Stadtjubiläum ein rauschendes Fest. Auf und vor drei Bühnen sollte bis Sonntag drei Tage lang gefeiert werden. Es gab Verpflegungsstände und Kinderbelustigung.

In der Innenstadt war es laut und (mancherorts vielleicht ein wenig zu) voll. Weltstar DJ Topic legte zu den Bergischen Symphonikern am Neumarkt auf, die Solinger Band See You brachte den Mühlenplatz zum Mitsingen – und auf dem Fronhof sorgten Suzan Köcher‘s Suprafon für eine magische Atmosphäre.

Bilder aus Solingen: Polizei sucht nach Messerattacke nach Täter
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Polizei sucht mit Spezialkräften nach Täter

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Foto: dpa/Christoph Reichwein

Doch genau dort verwandelte sich die Feier buchstäblich von einem Moment auf den anderen in einen Albtraum: Zeugen berichteten später, wie plötzlich ein Mann mit einem Messer auf andere losging, Menschen stürzten und ein Tumult ausbrach.

Wenig später war aus dem Platz am Fuße der evangelischen Stadtkirche, in der am Sonntag aus Anlass des 650. Stadtgeburtstages ein ökumenischer Gottesdienst stattfinden sollte, ein Tatort geworden – mit Rettungskräften, die um das Leben der Opfer kämpften, Polizisten, die das Gelände absperrten und verstörte Besucher wegschickten, die nichtsahnend vom anderen Teil der Party herübergekommen waren.

Während das Musikprogramm auf dem Neumarkt zunächst wie geplant weiterging und dort nur die vorbeifahrenden Polizei- und Rettungswagen die Aufmerksamkeit einiger Gäste erregten, betrat auf dem Mühlenplatz Mit-Organisator Philipp Müller sichtlich betroffen die Bühne. Er berichtete von den entsetzlichen Ereignissen und bat die Besucher, in Ruhe den Platz zu verlassen. Augenzeugen schilderten verstörende Momente, in denen Gruppen von Gästen eng im Pulk beisammenblieben, um ja nicht allein den Heimweg antreten zu müssen, und Eltern nach ihren Kindern suchten.

Als sich die Gerüchte von der Tragödie allmählich auf dem ganzen Festgelände in der Innenstadt verbreitet hatten, mischte sich das Entsetzen über die Ereignisse mit der Angst vor dem noch nicht gefassten Täter.

Manche Besucher standen, nervöse Gespräche führend, an Straßenecken, andere telefonierten offensichtlich mit Freunden und Verwandten, die sie in der Menschenmasse irgendwann im Verlauf des Abends aus den Augen verloren hatten. Ein Hubschrauber kreiste laut vernehmbar über der immer stärker abgeriegelten Innenstadt.

Als Polizei und Rettungskräfte noch immer vor Ort waren, leerten sich die Festplätze gegen Mitternacht – während sich allmählich die Erkenntnis Bahn brach, dass sich in die Stadtgeschichte ausgerechnet am Tag ihrer Geburtstagsfeier eine weitere Tragödie eingereiht hatte.