Interview Jan Michael Lange „Politik ist Arbeit – nicht Party“

Solingen · Das 41-jährige Ratsmitglied ist Kandidat der BfS für die Oberbürgermeisterwahl am 13. September 2020.

 Der 41-jährige Jan Michael Lange wurde von der Bürgergemeinschaft für Solingen (BfS) als Oberbürgermeister-Kandidat aufgestellt.

Der 41-jährige Jan Michael Lange wurde von der Bürgergemeinschaft für Solingen (BfS) als Oberbürgermeister-Kandidat aufgestellt.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Herr Lange, im zurückliegenden Sommer sind Sie von der BfS als Kandidat für die Oberbürgermeister-Wahl 2020 nominiert worden. Sie sind Vater von zwei Kindern und zudem beruflich stark eingebunden. Warum um alles in der Welt wollen Sie sich diesen Stress antun?

Lange Mir ist klar, dass die kommenden Monate nicht einfach werden. Aber trotzdem denke ich, dass man gerade in der Kommunalpolitik die Möglichkeit hat, Positives für die Menschen zu bewirken. Und ehrlich gesagt habe ich angesichts der aktuellen Politik im Rathaus schon den Eindruck, dass in Solingen einiges an Nachholbedarf besteht.

Das richtet sich gegen den Amtsinhaber von der SPD, Tim Kurzbach . . 

Lange . . . bei dem man, wo Sie die SPD ins Spiel bringen, den Eindruck hat, dass bisweilen der Hund mit dem Schwanz wedelt. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass sich seine Politik zu häufig an den Grünen orientiert.

Als er 2015 gewählt wurde, war er schließlich gemeinsamer Kandidat von SPD und Grünen.

Lange (lacht) Oder von den Grünen und der SPD. Und jetzt ist die Situation ja noch komplizierter. Die Grünen haben noch nicht entschieden, ob Sie 2020 mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen gehen. Dementsprechend ist zu erwarten, dass sich Tim Kurzbach noch stärker an den Grünen orientiert.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Lange Nehmen Sie doch einfach einmal den ÖPNV. Dass der Defizit-Deckel von neun Millionen Euro für die Verkehrsbetriebe nicht zu halten sein würde, war unserer Ansicht nach schon länger abzusehen. Dennoch ist zunächst einmal nichts geschehen. Das ist eine Schwäche von Tim Kurzbach: Er lässt Dinge laufen und betritt nur auf der Sonnenseite des Jobs die Bühne, und jetzt haben wir das Problem. Einen solchen „Schönwetter-OB“ braucht keine Stadt.

Aber mit dem ÖPNV-Defizit haben die Grünen doch nichts zu tun . . .

Lange Das meine ich auch nicht. Genauso wenig, wie die Defizit-Grenze von neun Millionen für die BfS in Stein gemeißelt ist. Aber den Grünen wäre es am liebsten, den Deckel einfach ganz zu streichen, statt ihn den Bedürfnissen entsprechend anzuheben und darüber hinaus weitere Maßnahmen bei den Verkehrsbetrieben anzugehen.

Was meinen Sie genau?

Lange Haben Sie zum Beispiel schon einmal versucht, den Fahrplan für Schülerseiten auf der Internetseite der Stadtwerke zu finden? Das ist viel zu kompliziert. Ferner müssen wir Synergieeffekte heben. Soll heißen, in Sachen Digitalisierung haben wir Nachholbedarf. Ich denke da etwa an das bargeldlose Bezahlen in den Bussen. All dies sind Dinge, die die Geschäftsführung der Verkehrsbetriebe in Zukunft angehen muss. Noch einmal: Die BfS besteht nicht auf Gedeih und Verderb auf dem Defizit-Deckel von neun Millionen Euro. Aber wir können auch nicht einfach Geld ausgeben, wie wir wollen. Was wäre denn dann die Alternative? Eine Anhebung der Grundsteuer wird es mit uns jedenfalls auf keinen Fall geben.

Womit wir beim leidigen Thema der Kommunalfinanzen wären. In den nächsten Wochen geht es um den Haushalt 2020. Das ist für Sie als Bankkaufmann und Finanzexperte ja ein wichtiges Thema.

Lange Ja. Und ich denke, dass es bei den Beratungen richtig knallen wird. Zumal das erst der Anfang ist. Beim Klinikum müssen Lösungen her. Und 2021 wird noch einmal richtig schwer. Dann müssen wir erstmals ohne Landeshilfe einen ausgeglichenen Etat vorlegen. Darum müssen wir nun auch die richtigen Weichen stellen, wenn es um den Wirtschaftsstandort geht. Wir müssen Brachflächen reaktivieren. Solingen darf nicht zu einer reinen Schlafstadt werden.

Was auch von der Verkehrsanbindung abhängt.

Lange Richtig. Darum will die BfS weiterhin die Anbindung der Viehbachtalstraße an die Autobahn. Dass neuerdings noch andere Lösungen angedacht werden, begrüßen wir. Das sollte forciert werden, inklusive eines Kreisverkehrs an der Bonenr Straße in Ohligs. Insgesamt ist der Verkehr eines der zentralen Zukunftsthemen in Solingen.

Dabei ist der Verkehr aber auch ein besonders umstrittenes Thema – Stichwort Klima.

Lange Ja. Nur heißt das nicht, dass wir in Zukunft ohne Straßen auskommen. Elektro- oder Wasserstoffautos brauchen schließlich auch Raum. Dabei geht es nicht darum, die ganze Stadt zuzupflastern. Allerdings ist es wichtig, realistische Ziele zu haben. Deshalb halte ich nichts davon, beispielsweise den Klimanotstand in Solingen auszurufen. Das klingt zwar ganz schön und ist plakativ. Aber immerhin haben wir ja schon unser Solinger Nachhaltigkeitskonzept. Daran sollten wir uns orientieren.

Was Sie vielleicht ab dem nächsten Jahr besser könnten, wenn Sie sich mit CDU und FDP auf einen gemeinsamen Kandidaten des bürgerlichen Lagers verständigt hätten.

Lange Ich kann mit diesem Lagerdenken in Solingen nicht so viel anfangen. Es stimmt, dass wir mit CDU und FDP einige Überschneidungen haben. Doch es gibt auch deutliche Unterschiede. Die CDU ist Anfang des Jahres mit der Idee eines gemeinsamen Kandidaten an die Öffentlichkeit gegangen. Mit uns hatte man darüber vorher nur nicht gesprochen. Aber selbstverständlich könnte die CDU ja auch noch jetzt mich als gemeinsamen Kandidaten unterstützen.

Das ist jetzt aber nicht Ihr Ernst?

Lange (lacht) Entscheidend ist, dass die Politik für Solingen besser wird. Es geht darum, pragmatisch zu handeln. Das ist der politische Grundsatz, nach dem ich handele. Es geht nicht darum, wie der aktuelle Oberbürgermeister einen riesigen Stab im OB-Büro zu installieren. Das ist nicht mein Weg. Politik ist Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger – nicht Party.

Sie selbst waren früher mal in der FDP und sind 2014 für die AfD in den Rat eingezogen.

Lange Die AfD war seinerzeit noch eine ganz andere Partei mit ganz anderen Themen. Als wir gemerkt haben, dass es einfach nicht mehr ging, haben wir hier in Solingen einen sauberen Schnitt gemacht und uns von der Partei getrennt. Ich habe diesbezüglich ein reines Gewissen.

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