Gedenken in Solingen Pogromnacht als Mahnung für die Zukunft

Zwei Tage lang wird dem Nazi-Terror gegen Solinger Juden am 9. November 1938 gedacht.

 Die Aktionen am Bunker stellten die Organisatoren vor (v. li.): Ulrich Nachtkamp, Ralf Rogge, Tim Kurzbach, Daniela Tobias, Norbert Schmelzer, Finn Grimsehl-Schmitz und Michael Roden.

Die Aktionen am Bunker stellten die Organisatoren vor (v. li.): Ulrich Nachtkamp, Ralf Rogge, Tim Kurzbach, Daniela Tobias, Norbert Schmelzer, Finn Grimsehl-Schmitz und Michael Roden.

Foto: Christian Beier

Im „Grünen Salon“ des Gymnasiums Schwertstraße wurden gestern die Veranstaltungen zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht vorgestellt. Nicht ohne Zufall: In der Nacht zum 10. November 1938 brannte die Synagoge an der anliegenden Gerichtsstraße ab. Damit sei man in der geschichtlichen Verantwortung eng mit dem Ort verbunden, sagte Schulleiter Ulrich Nachtkamp. Es sei stets eine Herausforderung, das Gedenken an die Pogromnacht besonders bei den Schülern wachzuhalten. Dazu gehört auch: Kaum war der durch Nazis ausgelöste Brand erloschen, wurden die Reste des Gebetshauses niedergerissen. Auf dem Platz der Synagoge wurde 1943 ein Hochbunker errichtet, der heute noch an der Malteserstraße steht.

Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) und Ulrich Nachtkamp machten die Bedeutung des Erinnerns deutlich. Es gehe nicht darum, das Gedenken als Ritual zu veranstalteten, sagte Kurzbach. Vielmehr gehe es darum, die Veranstaltung lebendig durchzuführen, die Taten der Nazis gegen die Juden mit fünf Toten in der Folge seien nicht „schon, sie sind erst 80 Jahre her“.

Der Leiter des Stadtarchivs, Ralf Rogge, stellte die Veröffentlichung des Bandes „Der Novemberpogrom 1938 in Solingen“ vor. Das Buch von Stephan Stracke hält viele Dokumente bereit, ist im Internet auf der Seite der Stadt kostenlos herunterladbar. Es solle ausdrücklich auch als Schulmaterial zur Verfügung stehen, erklärte Rogge.

Finn Grimsehl-Schmitz, der Vorsitzende des Jugendstadtrats, lud alle Jugendlichen für den 9. November in den Konzertsaal ein. Das sei wichtig, denn unter den Jugendlichen in der Stadt habe die Geschichte des Pogroms „nur eine geringe Bedeutung“. Daher werde man die Verknüpfung der Motive der Nazis zur Neuzeit herstellen, etwa mit Blick auf die rechten Ausschreitungen in Chemnitz.

Michael Roden vom Kommunalen Integrationszentrum lobte die Vielzahl der Veranstaltungen. Dazu gehört auch das vom Solinger Kunstverein durchgeführte Kunstprojekt „Unsichtbar“ am 8. November. Es dient der Sichtbarmachung der zerstörten Synagoge mittels einer Projektion auf die Bunkerwände.

Fünfte im Bunde war Daniela Tobias von der Aktion Stolpersteine. Mit ihnen wird seit Jahren im Stadtgebiet an das Schicksal Verfolgter durch das Nazi-Regime erinnert – auch an die aus der Pogromnacht. Dazu gibt es den Stadtrundgang „Auf den Spuren der Pogrome“. Für den Abend des 9. November bittet sie die Solinger, sich an der Aktion „Ein Licht für Stolpersteine“ zu beteiligen. Ziel sei es, mit Kerzen und Blumen an jedem Stolperstein in der Stadt der Opfer der Nationalsozialisten zu gedenken. Norbert Schmelzer von SOS Rassismus lobte die wachsende Zahl der vor allem jungen Besucher des Gedenktages am 9. November. Das liege auch am Nachmittags-Termin. Die Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Reichskristallnacht verteilen sich auf zwei Tage. Der Grund liegt im Freitag, 9. November. Wenn in den früheren Abendstunden die Sonne untergeht, beginnt nach dem jüdischen Glauben der Sabbat. Um den orthodox gläubigen Juden der Stadt die Teilnahme an allen Veranstaltungen zu ermöglichen, wurden der Rundgang und die Kunstaktion auf Donnerstag vorverlegt. Denn am Sabbat darf man nach der strengen Lehre keine öffentlichen Veranstaltungen besuchen, gar veranstalten.

Der 80. Jahrestag fällt mit dem 100. Jahrestag der Ausrufung der Republik zusammen. Beide Gedenktage nehmen entsprechend Raum ein. Der 9. November wird auch gerne als der „Schicksalstag der Deutschen“ bezeichnet. Auch der Mauerfall 1989 fiel auf einen 9. November.

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