Max-Leven-Haus in Solingen Erinnerung an eine „Selbstamputation“

Meinung | Solingen · ANALYSE Soll das Wohnhaus des von den Nazis ermordeten jüdischen Kommunisten Max Leven erhalten bleiben ? Oder könnte es durch ein Mahnmal ersetzt werden? Vielleicht noch wichtiger als eine Antwort auf diese Fragen ist der Umgang mit ihnen.

 Das Haus an der Max-Leven-Gasse in der Solinger Innenstadt ist in den zurückliegenden Jahren mehr und mehr verfallen. Die Fenster sind schon lange mit Holzplatten verdeckt worden.

Das Haus an der Max-Leven-Gasse in der Solinger Innenstadt ist in den zurückliegenden Jahren mehr und mehr verfallen. Die Fenster sind schon lange mit Holzplatten verdeckt worden.

Foto: Martin Oberpriller

Um es gleich vorneweg zu sagen: Der Zustand des ehemaligen Wohnhauses von Max Leven ist nicht gerade ein Ruhmesblatt für die Solinger Erinnerungskultur an das „Dritte Reich“. Das Gebäude verfällt seit Jahren – und das hätte es wohl noch eine ganze Weile getan, wenn die Stadt-Sparkasse nicht planen würde, genau dort in der Innenstadt ihre neue Hauptstelle zu errichten.

Wobei alte, gegebenenfalls denkmalgeschützte Mauern – übrigens genauso wie moderne Mahnmale – ohnehin nichts weiter sind als steinerne Versuche, die in ihrer historischen Dimension auch in Solingen einmalige Barbarei der NS-Diktatur irgendwie begreifbar sowie fassbar zu machen. Was, wenn wir ehrlich sind, immer vor allem eines bleibt: ein Versuch.

Das heißt keineswegs, dass auf solche Erinnerungsorte verzichtet werden könnte. Vielmehr braucht eine demokratische Stadtgesellschaft solche Plätze (wie auch Stolpersteine) als Räume kollektiver Selbstvergewisserung. Aber es bleiben am Ende zunächst einmal „nur“ Räume, die gefüllt werden müssen: und zwar mit Reflexion. Die wiederum kann jedoch nur gelingen, wenn die Erinnerung konkret wird.

Im Fall des Solingers Max Leven bedeutet dies, das Opfer und die Geschichte seiner Ermordung in der ganzen Dimension darzustellen. Also, Max Leven war ein aus einer jüdischen Familie stammender Kommunist, der genau deshalb ermordet wurde. Erstens, weil er Jude war. Und zweitens, weil er Kommunist war.

Parallel gehört zu der Geschichte Levens, dessen Frau und Kinder später ebenfalls ermordet wurden, aber auch der Umgang mit seinen Mördern nach dem Krieg. Die bekamen skandalös geringe Strafen. Allein das genügt, um zu zeigen, welch weiter Weg seit 1945 zurückgelegt werden musste, um zu dem Punkt zu gelangen, an dem wir heute stehen.

Dabei sollte die Aufgabe, die in der Zukunft wartet, nicht unterschätzt werden. Denn es geht nur vordergründig darum, ob das Haus des NS-Opfers Leven und seiner Familie erhalten bleibt. Oder ob an diesem Ort später einmal in Form einer Gedenkstelle die Erinnerung wach gehalten werden soll. Das wird die jetzt hoffentlich bald beginnende Diskussion schon zeigen – zumal man allen Beteiligten bei der ­Stadt-­Sparkasse Solingen, in der Politik sowie in der gesamten Gesellschaft schon unterstellen darf, dass sie diese Frage mit der ihr ­angemessenen, notwendigen Ernsthaftigkeit zu klären imstande sein werden.

Von viel zentralerer Bedeutung für die Erinnerungskultur in Solingen ist, das damals Geschehene zumindest in Ansätzen als das zu begreifen, was es war. Paul Spiegel, der ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Juden einmal von einer „Selbstamputation“ der Deutschen gesprochen.  Ein Bild, das trifft, weil es sämtliche Opfergruppen und eben auch die bis heute spürbaren Folgen der Nazi-Diktatur umfasst. Der Umgang mit dem „Dritten Reich“ bleibt schmerzhaft, aber unumgänglich.

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