Gericht Aussichtslose Berufung

Solingen · Gericht: Auch der Verteidiger schien von über 30 Tatvorwürfen überrascht.

Anfangs hörten sich die Tatvorwürfe schwer, aber übersichtlich an: Ein 22-jähriger Angeklagter aus Solingen soll seine in Erkrath bei Ihren Eltern wohnende Freundin bei einem Streit geschlagen und verletzt haben. Die 16-Jährige soll häufiger bei ihm in der Wohnung gewesen sein, nach einer Weihnachtsfeier der Freiwilligen Feuerwehr soll die Lage eskaliert sein. Der Angeklagte soll die junge Frau bedroht und zuvor die Wohnungstür von innen abgeschlossen haben.

Da die Freundin keinen Schlüssel hatte um sich aus der Notlage befreien zu können, habe sie Angst bekommen. Gegen die Angriffe ihres Freundes soll sie sich mit einem Topf gewehrt und danach auch noch einen Teller nach ihm geworfen haben. Nachdem die Abwehrversuche misslungen waren, soll der Mann sich auf seine Freundin gesetzt haben, um weiter auf sie einzuschlagen. Derweilen soll ein gemeinsamer Bekannter versucht haben, den Angeklagten am Handy zum Öffnen der Wohnungstüre zu überreden. Als er das schließlich getan hatte, war die Freundin hilfesuchend zurück zur Weihnachtsfeier der Freiwilligen Feuerwehr geeilt. Sie hatte schwere Prellungen im Gesicht erlitten.

Schon vorher soll es häufig Streitereien zwischen dem jungen Mann und seiner Freundin gegeben haben. Einmal soll er sie auf den Hinterkopf geschlagen, ein anderes Mal ihren Kopf gegen eine Türe geknallt haben. Zwischenzeitlich soll er auch am Haus der Eltern seiner Freundin in Erkrath geklingelt haben. Zuvor hatte der Vater seine Tochter dort bei der Polizei als vermisst gemeldet, die wiederum war offenbar für mehrere Tage bei ihrem Freund untergekommen.

Nach der Vermisstenanzeige griff die Polizei sie dort auf, um sie zu ihren Eltern zurückzubringen. Das wiederum passte dem Angeklagten nicht, der daraufhin auch den Vater bedrohte und gegen die Fenster des Hauses geschlagen haben soll. Der so Angegriffene durfte später auch noch auf seinem Anrufbeantworter hören, das er gleich eine Kugel im Kopf haben und tot sein werde.

All diese Tatvorwürfe stammten aus dem Jahr 2016 und waren im Herbst des vergangenen Jahren vom Amtsgericht Solingen mit zehn Monaten Freiheitsstrafe abgeurteilt worden. Dagegen hatte der Angeklagte Berufung eingelegt. Inmitten dieses Berufungsverfahrens wurde es nun unübersichtlich: Mehr als 30 Tatvorwürfe allein in den vergangenen zwei Jahren – einige bereits verhandelt, andere gerade anhängig. Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung scheinen an der Tagesordnung gewesen zu sein. Aus der Gerichtsverhandlung kommend, wurde er beim Schwarzfahren erwischt.

Vor den Prozessbeteiligten breitete sich eine lange Agenda an Straftaten aus, von denen offenbar noch nicht mal der Verteidiger wusste. Der riet seinem Mandanten dann auch eilig dazu, die vor diesem Hintergrund als aussichtslos erscheinende Berufung wieder zurückzunehmen.

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